Heilig’s Blechle, ein Plätzchen!
Einkaufen im Advent – das bedeutet Stress. Und der beginnt meist schon vor dem Shoppen auf der Suche nach einem freien Stellplatz. Streifzug durch Parkhäuser zur Weihnachtszeit
Wo zum Teufel ist das Auto hin? Hektisch irrt eine Frau durch das zweite Deck des Parkhauses eines großen Augsburger Einkaufszentrums. In der einen Hand hält sie den Autoschlüssel, in der anderen mehrere bunte Einkaufstüten mit Weihnachtsgeschenken. Vor ihr rollt der Kinderwagen samt Kleinkind. „Ich habe die Orientierung verloren“, sagt sie, während sie immer wieder auf den Funkknopf ihres Autoschlüssels drückt. Steht der Wagen doch in der dritten Etage?
Das Parkhaus, ein Ort des Wahnsinns. Kurz vor Weihnachten ist die Hektik hier zu Hause. Unfreiwillige Komik neben ehrlichem Frust. Suchende neben Verzweifelten. Abgefahrene Seitenspiegel neben eingeparkten Kleinwagen.
„Vorhin war so viel los und ich habe wenig Zeit“, sagt die Suchende mit dem Kinderwagen. Da habe sie nicht mehr auf die Nummer ihres Parkplatzes geachtet. Und nun sehe alles so gleich aus. Schon einmal habe sie ihr Auto erst nach einer knappen Stunde wiedergefunden, erzählt die junge Mutter. Doch dann leuchten eine Parkreihe entfernt plötzlich die Frontscheinwerfer ihres weißen SUV auf. Erleichterung.
Sie verstaut den Kinderwagen im Kofferraum. „Jedes Mal dasselbe“, ärgert sie sich. Sollte die Weihnachtsstimmung nicht schon im Trubel der Einkaufenden oder in der meterlangen Schlange vor der Ladenkasse verschwunden sein, spätestens auf der Suche nach dem Auto ist der Adventszauber verflogen.
Es ist das erste Adventswochenende. Tatsächlich ist die Frau kein Einzelfall. Das riesige Parkhaus ist voll mit Menschen, die wieder und wieder auf den Funkknopf ihres Autoschlüssels drücken. Wild gestikulierend stehen Frauen vor ihren mit dem Auto rangierenden Männern. Zwischen den parkenden Wagen wuseln Kinder. Es riecht nach Abgas, Stress und Hektik liegen in der Luft. All die Unruhe, Anspannung und Vorweihnachtspanik konzentrieren sich an diesem tristen Ort mit über 2000 Stellplätzen. „Die Leute können sich einfach keine drei Zahlen merken“, meint ein Mann, der gerade die weiße Grenzmarkierung zwischen den Parkplätzen in der zweiten Etage erneuert. „Und dann finden sie ihr Auto nicht mehr.“Stress hin oder her, eine Zahl müsse man sich doch merken können.
Am Ende finden sie ja doch immer wieder zueinander, die Autos und ihre Besitzer. So ein Auto ist schließlich kein Parkticket, das mal eben aus der Jackentasche oder dem Geldbeutel fliegen kann. Das kommt häufiger vor. 25 Euro kostet der Verlust der Parkkarte, verrät ein großes blaues Schild neben dem Kassenautomaten. Abgefahrene Schranke, 30 Euro. Das kuriose Schild mit weißen Lettern ist berühmt. Einige Medien berichteten, im Internet wird sich das Maul zerrissen. Die abgefahrene Schranke sei beinahe ein Schnäppchen, meint ein junger Mann auf Twitter: „Warum für eine verlorene Parkkarte 25 Euro zahlen, wenn man für fünf Euro mehr gleich die ganze Schranke kaputt fahren kann?“
Vor einem silbernen BMW steht eine Frau und guckt auf ihr Smartphone. Dory Preidel hat eine Strategie entwickelt, wie sie ihr Auto auch im Weihnachtstrubel wiederfindet. Sie fotografiert ihr Auto samt Parkplatznummer. Ein Phänomen, auf das man im Parkhaus immer wieder stößt. „Da muss ich später nicht lange suchen.“Denn auch die 63-Jährige irrte schon einmal durch die Parkdecks. Erst mithilfe einer Freundin fand sie ihren Wagen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder. Seither ist das Foto Pflicht. „Das spart Stress.“Denn viel Zeit hat auch die gebürtige Niederländerin heute nicht.
Zwar sei sie nicht im Weihnachtsstress, aber auf dem Weg, einen Vortrag über die Lechfeldschlacht zu halten. Und weil es schlicht unmöglich sei, an einem Freitag im Advent einen Parkplatz in der Innenstadt zu finden, parkt die Reiseführerin im günstigen Parkhaus des Einkaufszentrums. 60 Cent kostet eine Stunde Parken hier, vier Stunden einen Euro – ein günstiges Angebot. Andere Parkhäuser sind teurer. Dort zahlt man schnell acht bis zehn Euro Parkgebühr. Trotzdem ist vor Weihnachten kaum ein Platz frei. Findet man doch noch einen, sollte man die Maße seines Autos kennen.
Ortswechsel, Parkhaus in der Innenstadt. Schwarze Streifspuren an weißen Wänden zeugen von Schäden, die jeder Autofahrer fürchtet: von Kratzern im Lack und abgefahrenen Außenspiegeln. Der graue Betonboden ist gezeichnet von schwarzen Bremsspuren. Die erhöhten Kanten haben schon etliche Alufelgen auf dem Gewissen. Das vorgeschriebene Schritttempo halten die meisten Fahrer schon aus Angst vor eben diesen Ecken und Kanten ein. Quietschende Reifen hört man hier nicht, dafür absterbende Motoren. Im dritten Gang kommt man nicht aufs Parkdeck. Viele der schwarzen Streifen an den Wänden dürften von großen Geländewagen oder SUVs stammen.
Mit diesen Autos werden enge Parklücken zur Herausforderung. Zwar gibt es eine Verordnung zur Breite der Stellplätze, doch die ist uralt. Die Garagenverordnung aus den 1970er Jahren schreibt eine Mindestbreite von 2,30 vor. Der Golf legte seit 1974 um 20 Zentimeter zu: Von 1,61 auf 1,81 Meter. Ein großer SUV ist gute zwei Meter breit. Und davon gibt es immer mehr auf den Straßen. Parkt der Nachbar nicht innerhalb der Markierung, wird es eng. Sehr eng.
So wie jetzt: wieder im Parkhaus. Ein Mann im großen schwarzen BMW fährt schon zum zweiten Mal durch die erste Etage des Parkhauses. Eine Frau im roten kleinen Twingo parkt gerade aus. Kurz hält der Familienvater im schwarzen Wagen vor der engen Parklücke. Rückwärts? Vorwärts? Rangieren? Es hilft nichts, die Lücke ist schlicht zu schmal für das breite Familienauto. Doch ein paar Parkplätze weiter könnte es klappen. Am Ende der Parkstraße ist ein Stellplatz in der Ecke frei. Nach ein paar Minuten Rangieren steht der SUV in der Lücke. Der Weihnachtsbummel durch die Innenstadt kann beginnen. „Mit so einem großen Auto ist das Parkplatzfinden die Hölle“, sagt die Beifahrerin, während ihr Mann gerade versucht, sein Kind durch den schmalen Türspalt zu ziehen, ohne den Lack des Nachbarautos zu zerkratzen. „Die Autos werden immer größer, aber die Parkplätze nicht“, meint die Mutter.
Große Autos, kleine Parklücken – immer wieder liefert das Adventswochenende ähnliche Bilder: Der Wagen eines jungen Paars passt gerade so auf den Frauenparkplatz in der ersten Etage. Der Kofferraum des schwarzen Toyota-Geländewagens lässt sich nur zur Hälfte öffnen. Die junge Mutter steht davor. Sie ruft ihrem Mann durch den Spalt an der Hinterseite des Wagens zu: „Ein Stückchen weiter vor!“
Noch einmal rangiert der Vater. Nun lässt sich der Kinderwagen aus dem Kofferraum zerren. „Wir sind das mit unserem großen Auto gewohnt“, erklärt die Frau, während der Kinderwagen über das Nachbarauto bugsiert wird. Auch das Paar ist in weihnachtlicher Mission unterwegs. Sie sind froh, überhaupt einen Parkplatz an diesem Adventswochenende gefunden zu haben. Dann machen sie sich auf in den Trubel. Zu Warteschlangen und vollen Einkaufstüten.
Der Weihnachtswahnsinn hat im Parkhaus erst begonnen. Noch zwei Wochenenden bis Weihnachten. Noch zwei Mal Ausnahmezustand. Zwei Wochen Weihnachtswahnsinn. Suchen, Finden, Wiederfinden.