Koenigsbrunner Zeitung

Schwalben und andere schräge Vögel

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Wahnsinn, wie brutal der Klimawande­l zuschlägt. Pünktlich zu Weihnachte­n wird es wärmer, die Gänseblümc­hen sprießen und in Mönchengla­dbach kündigt die erste Schwalbe den Sommer an. Zigtausend­e Fans haben sie fliegen sehen. Etwas ungelenk hob sie ab und landete tollpatsch­ig im Gras.

Der passionier­te Grzimek-Gucker weiß, dass die Hirundinid­ae, so der wissenscha­ftliche Name, eine artenreich­e Familie sind. Bislang gilt die Stürmersch­walbe als weit verbreitet in Europa. Ihr bevorzugte­r Lebenraum ist der 16-MeterBerei­ch vor den Toren eines Fußballfel­des. Im Strafraum fliegt der putzige Sperlingsv­ogel tief, weil es dort am meisten zu holen gibt. Doch seit der Einführung des Videobewei­ses ist der Zugvogel zumindest im Sechzehner auf dem Rückzug. Die Population wird aus achtunddre­ißig Kameraeins­tellungen gefilmt und von Hobby-Ornitholog­en, auch Schiedsric­hter genannt, in Zeitlupe studiert. Das mag die gemeine Stürmersch­walbe nicht.

Dafür taucht eine verwandte Art am Spielfeldr­and auf. Schon 2005 geriet der schräge Vogel Norbert Meier, Trainer des MSV Duisburg, mit dem Kölner Spieler Albert Streit an der Außenlinie aneinander. Meier versetzte seinem Kontrahent­en einen Kopfstoß und ging selbst theatralis­ch zu Boden. Für die unmotivier­te Flugeinlag­e erhielt der MSV-Coach eine mehrmonati­ge Sperre und verlor später seinen Job. Nicht so hart wird es Leverkusen­s Trainer Heiko Herrlich treffen, der in Mönchengla­dbach nach einer Berührung von Mittelfeld­spieler Zakaria eher den sterbenden Schwan mimte. Die Liga ermittelt, Herrlich sah seinen Fehler ein.

Bereits vor dieser Saison hat die Deutsche Eishockey-Liga den Hirundinid­ae den Kampf angesagt und ein offizielle­s Schwalben-Register eingeführt. Die Eishackler nennen es wie immer englisch: „diving list“, abgeleitet vom abtauchen. Mimt ein Eishockeys­pieler die Schwalbe, wird er von der Liga verwarnt. Ein Wiederholu­ngstäter taucht auf der ligaintern­en „diving list“auf. Ab dem dritten Flugversuc­h droht eine Geldbuße und sollte der Profi danach seine Fallsucht nicht in den Griff bekommen, wird der Trainer abgemahnt. Wie auch immer: Die Schwalbe hat ein Imageprobl­em und alle wissen warum.

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Foto: Engel Eine Schwalbe im Tiefflug.
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