Koenigsbrunner Zeitung

Klassenspr­ache: Englisch

In Bobingen bekommen 60 Grundschül­er zweisprach­igen Unterricht und jetten auch mal durch Europa

- VON PITT SCHURIAN

Sie sind gerade mal sieben oder neun Jahre alt, aber 60 Buben und Mädchen an der Singoldsch­ule in Bobingen diskutiere­n schon mal in englischer Sprache, was die Lehrerin ihnen da als Mathethema an die Tafel schrieb. Noch mehr englisch wird in drei Klassen beim Sport, beim Musizieren oder im Fach Kunst palavert. Und selbst im Deutschunt­erricht findet sich ab und an die Gelegenhei­t, ins Englische abzuschwei­fen. Arg schwer und entspreche­nd holprig wird es allerdings, wenn die Buben und Mädchen im Heimat- und Sachkundeu­nterricht heimische Baumarten auf Englisch bestimmen sollen. Spätesten da stößt der zweisprach­ige Unterricht an Grenzen. Da hätte schließlic­h manch Erwachsene­r schon auf Deutsch seine Nöte. In den zweisprach­igen Klassen der Grundschul­e an der Singold geben Kinder ihr Bestes. Sie verstehen schon viel, was um sie herum englisch gesprochen wird, auch wenn es dann weit schwerer fällt, sich selbst in der fremden Sprache auszudrück­en. Auf alle Fälle macht es ihnen jedoch immer wieder Spaß.

Nein, sagt Rektorin Gabriele Glockner, Wunderkind­er seien das keine. Ganz normale Kinder halt, die allerdings an der Grundschul­e an der Singold in Bobingen schon seit drei Jahren stark gefördert werden. Ein bayerische­s Modellproj­ekt macht es möglich. Im ganzen Freistaat sind gerade 20 Schulen beteiligt. Eltern haben die Wahl, ihr Kind in einer solchen bilinguale­n Ganztagskl­asse oder in einer normalen Regelklass­e unterzubri­ngen. In den Jahrgangss­tufen zwei bis vier gibt es jeweils eine Englischkl­asse. Ab dem nächsten Schuljahr kommt eine erste Klasse dazu.

Es ist kein Zufall, dass das Geschehen an der Singoldsch­ule recht internatio­nal wirkt. Rektorin Glockner hat noch ein weiteres Förderprog­ramm angezapft. Gerade verbrachte­n 25 Abc-Schützen aus Italien, Polen, Frankreich, Spanien und Zypern mit insgesamt zwölf Lehrkräfte­n eine Vorweihnac­htswoche in Bobingen. Gemeinsame Sprache: englisch. Sie besuchten die Augsburger Puppenkist­e sowie Schloss Neuschwans­tein, lernten in der Bäckerei Kästele Brezen herzustell­en und genossen an einer weiß gedeckten Tafel in der Singoldsch­ule ein Menü des „Restaurant European Surprise“.

Eine europäisch­e Überraschu­ng war auch der „European Christmas Market“– natürlich nicht auf dem Rathauspla­tz, sondern in der Schulaula.

Dahinter steckt ein europäisch­es Förderprog­ramm für Schulen: Erasmus+. Kinder aus Bobingen sind damit drei Mal im Jahr Gastgeber oder selbst Gast im Ausland. Im Januar reisen vier Grundschül­er mit drei Lehrkräfte­n nach Pegeia an der Westküste Zyperns. Die Zahl der Bewerbunge­n übersteigt bei solchen Reisen stets die Angebote bei weitem, sagt Gabriele Glockner. Sie hatte mit mehr Zurückhalt­ung der Eltern gerechnet. Doch die seien of- fenbar stolz und glücklich über das zweisprach­ige Projekt.

Übrigens auch die Lehrer. Für diese bedeute der zweisprach­ige Unterricht sehr viel Mehrarbeit, aber es gebe auch viele junge Pädagogen, die sich gerade wegen der europäisch­en Ausrichtun­g der Schule eigens um einen Posten in Bobingen bewerben, sagt die Rektorin.

Diese Entwicklun­g des Modellproj­ekts wird wissenscha­ftlich begleitet auch vom Freistaat genau beobachtet. Die heimische Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr machte sich jüngst selbst vor Ort ein Bild davon. Ihr fiel noch eine Besonderhe­it auf: Auch Kinder mit Migrations­hintergrun­d kommen hier zu schulische­n Erfolgserl­ebnissen. Denn sie lernten neben ihrer Mutterspra­che schon bald deutsch und tun sich nun offenbar sehr leicht, auch noch eine dritte Sprache zu lernen. Die deutschen Kinder in den Bobinger Englischkl­assen werden es künftig ebenfalls leichter haben, sich in der Welt mit weiteren Sprachen zurechtzuf­inden, ist Gabriele Glockner sicher.

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Foto: Monika Mendat Hier wird englisch gesprochen. Die Ganztagskl­assen der Singoldsch­ulen bekommen zweisprach­igen Unterricht. Das interessie­rt auch Landespoli­tiker wie Simone Strohmayr (hinten rechts).
 ?? Foto: Gabriele Glockner ?? Grundschül­er aus fünf europäisch­en Staaten erfuhren jüngst in der Bäckerei Kästele in Bobingen, wie bayerische Brezen entstehen.
Foto: Gabriele Glockner Grundschül­er aus fünf europäisch­en Staaten erfuhren jüngst in der Bäckerei Kästele in Bobingen, wie bayerische Brezen entstehen.
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Gabriele Glockner

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