Mann unterm Niqab
Voll verschleiert Die Iranerin Sou Abadi geht mit Witz eine gefährliche Gratwanderung
Als Leilas (Camelia Jordana) Bruder Mahmoud (William Lebghil) von einer Reise in den Jemen zurückkehrt, ist er ein anderer Mensch. Nicht nur sein Bart und seine Kopfbedeckung deuten auf eine Radikalisierung hin, auch sein Verhalten spricht Bände. Mahmoud reißt die Fotos von den Wänden, die eine glückliche Familie zeigen, und ersetzt sie durch ein Bildnis seines neuen, geistigen Führers. Und natürlich verbietet er seiner Schwester den Umgang mit Männern im Allgemeinen und mit ihrem Freund Armand (Félix Moati) im Besonderen.
Dabei ist es dem Studentenpaar durchaus ernst, demnächst steht ein gemeinsames Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York auf dem Programm. Aber nicht mit Mahmoud, der Armand Hausverbot erteilt und den Pass seiner Schwester verbrennt. Da ist guter Rat teuer. Um den Kontakt zur Liebsten aufrechtzuerhalten, fasst Armand den kühnen Plan, sich mit einem Niqab zu verkleiden, der nur Augen und Hände unverhüllt lässt.
Mahmoud ist entzückt, als die angebliche Freundin seiner Schwester auftaucht, die offensichtlich auf dem Pfad der Tugend wandelt. Bevor „Scheherazade“zum gemeinsamen Lernen in Leilas Zimmer verschwinden darf, lädt der Bruder sie zum Tee ein. In Gesprächen zeigt sie ein tiefes Verständnis für den Islam. Kein Wunder, dass Mahmoud bald um die Hand der verhüllten Traumfrau anhalten möchte.
Es war eine gefährliche Gratwanderung, auf die sich die im Iran aufgewachsene Autorin und Regisseurin Sou Abadi mit ihrem DebütSpielfilm begeben hat. Was in einem großen Desaster hätte enden können, ist eine der klügsten und schönsten Komödien des Kinojahres geworden. Gekonnt spielt der Film mit den Ängsten und Vorurteilen, die im Westen angesichts einer voll verschleierten Person aufkommen. » Voll verschleiert (1 Std. 27 Min.), Komödie, Frankreich 2017 Wertung ★★★★★