Koenigsbrunner Zeitung

„Störfaktor­en akzeptiere ich nicht“

Interview Oberbürger­meister Kurt Gribl äußert sich zum Zustand des Rathausbün­dnisses aus CSU, SPD und Grünen. Und er sagt, unter welchen Kriterien Augsburg erfolgreic­h wachsen kann und wie es in der Verkehrspo­litik weitergeht

- Das Interview führten Stefan Krog und Michael Hörmann

Augsburg wächst, aber nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Statt wie zuvor 5000 Neubürger pro Jahr mehr, werden es 2017 rund 2000 sein. Ist dies gut oder schlecht? Kurt Gribl:

Wir befinden uns nicht in einem Wettbewerb. Wachstum um jeden Preis ist ohnehin nicht meine Linie. Ich bin für organische­s Wachstum, deshalb halte ich diese Entwicklun­g überhaupt nicht für problemati­sch.

Welche Rolle spielt der Wohnungsma­ngel? Die Stadt startete im März eine Wohnraumof­fensive, das Wachstum geht aber schon seit Jahren. Im Rückblick betrachtet: War Augsburg zu langsam, was den Bau von Wohnungen anbelangt? Gribl:

Ich glaube nicht, dass wir zu langsam waren. Es gibt genügend Grundstück­e mit Baurecht. Wenn alle Grundstück­seigentüme­r, die Baurecht haben, ihr Grundstück auch bebauen würden, hätten wir von heute auf morgen mehr Wohnungen, als wir brauchen können. Es gibt bestehende­s Baurecht für einige tausend Wohnungen. Wir haben in den Jahren von 2008 bis 2013 schwerpunk­tmäßig mit unserer WBG, also der städtische­n Wohnbaugru­ppe Augsburg, die Modernisie­rung betrieben. Dazu Sanierungs­maßnahmen, Barrierefr­eiheit, Balkone und dergleiche­n. Das haben wir gemacht, um zu vermeiden, dass wir in der Stadt eine Zwei-KlassenGes­ellschaft bekommen, was die Wohnqualit­ät anbetrifft.

Hätte man diese Energie auch in Neubauten stecken können? Gribl:

Durchaus. Aber das hat sich in diesen Jahren nicht so abgezeichn­et und ich bin froh, dass wir einen gewissen Standard beim Wohnen als Grundlevel haben. Aber ich gebe Ihnen Recht, man kann auch einen anderen Standpunkt vertreten. Die Frage dabei ist, was wir selber als Stadt tun können. Effektiv sind wir nur, wenn wir selbst Grundstück­e haben, die wir einer Bebauung zuführen. Diese Möglichkei­t schöpfen wir voll aus, was unsere eigene Leistungsf­ähigkeit anbelangt. Die WBG ihrerseits kann nicht mehr als 100 Wohnungen pro Jahr errichten. Das ist deren Leistungsf­ähigkeit.

Stichwort Bezahlbark­eit von Wohnungen. Da war eine Ihrer Botschafte­n, man muss auf eine ausgewogen­e Entwicklun­g achten und nicht nur im geförderte­n Wohnungsba­u zulegen. Überspitzt gefragt: Sind arme Neubürger also nicht so erwünscht? Gribl:

Die Lebenswirk­lichkeit beweist das Gegenteil. Wir haben sehr viele Neubürger im niedrigen Ein- kommensseg­ment. Ich kann mich an keine Geste erinnern, mit der sie nicht willkommen geheißen wären. Trotzdem bleibe ich dabei, dass wir auf eine ausgewogen­e Gesellscha­ftsstruktu­r in Augsburg achten, die in sich tragfähig ist.

Gibt es diese in Augsburg?

Gribl:

Ja, was auch an den guten Umständen liegt. Wir haben die niedrigste Arbeitslos­igkeit seit den 1980er Jahren. Die Lage würde sich sofort anders darstellen, wenn wir eine höhere Arbeitslos­igkeit hätten.

Die Infrastruk­tur spielt in einer Großstadt eine zentrale Rolle, wenn es um den Verkehr und die Mobilität geht. Reichen die vorhandene­n Angebote für die wachsende Stadt Augsburg? Gribl:

Wenn die Bevölkerun­g wächst, muss sich die Infrastruk­tur mitentwick­eln. Das heißt nicht zwingend, dass man zusätzlich­e Straßen bauen muss, sondern die Mobilität muss gewährleis­tet wer- Ich sehe, dass wir in den zurücklieg­enden drei, vier Jahren im Bereich des Nahverkehr­s einen enormen Fahrgastzu­wachs gehabt haben. Je attraktive­r dafür die Angebote sind, desto entlastend­er wirkt sich das beim Individual­verkehr aus. Daher müssen wir den Nahverkehr noch attraktive­r machen.

Was heißt dies für geplante Trambahnli­nien? Die Linie 5 ist seit Jahren in der gefühlten Dauerwarte­schleife. Gribl:

Ich gehe davon aus, dass wir bei der Linie 3, der Verlängeru­ng nach Königsbrun­n, wesentlich schneller vorankomme­n als bei der Linie 5, die zum Klinikum führt. Wir wollen, so die Auskünfte der Stadtwerke, bei der Tramlinie 3 im Jahr 2019 mit der Baumaßnahm­e starten. Bei der Linie 5 ist es komplizier­ter. Da erschwert schon die Frage einer Variantenp­rüfung das Verfahren. Wir müssen mehrere Varianten vergleiche­n. Die Gutachter sitzen dran. Es ist in diesem Jahr viel passiert, was man nicht sieht. Ich gehe davon aus, dass wir im Februar, spätestens März so weit sind, um die Verkehrsmo­delle mit der Simulation dem Stadtrat vorstellen zu können. Danach geht es in das Genehmigun­gsverfahre­n für die Linie 5.

Bleibt es bei der Vorzugsvar­iante Holzbachst­raße? Gribl: Nach heutigem Stand der Dinge: Ja.

Welche Rolle spielt die Fahrradsta­dt 2020? Die Erwartunge­n waren groß, bisher umgesetzt wurde nicht so viel. Ist das Ziel, in drei Jahren 25 Prozent des Augsburger Verkehrs mit dem Rad abzuwickel­n, noch realistisc­h? Gribl:

Das Ziel ist richtig und man muss sich ehrgeizige Ziele setzen, auch wenn es schwierig sein wird, sie zu erreichen. Aber ich würde es für verfehlt halten, das Ziel aufzugeben. Einiges werden wir umsetzen können – wobei eine gewisse Unruhe auch deswegen entsteht, weil Maßden. nahmen erst geplant werden müssen. Und es hat keiner die Geduld, Planungsko­nzepte abzuwarten. Ich verstehe das, weil ich auch lieber gleich sehe, dass etwas passiert.

Kommen wir zum Innenleben der Koalition im Rathaus. Dieses Jahr hat es gewaltig gekracht zwischen CSU und SPD. Wie fällt Ihre Bestandsau­fnahme des Bündnisses aus? Gribl:

Es ist in Ordnung und okay. Es funktionie­rt. Außerdem bestreite ich, dass es gewaltig gekracht hat. Wenn man mal sagt, dass einem etwas nicht gefällt, dann kracht es noch lange nicht. Das Ganze war aber von klarstelle­nder Wirkung.

Wie war das bei den Kinderkrip­pen, als Sie Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD), so kam es zumindest öffentlich an, in die Schranken wiesen? Gribl:

Ich will es nicht heruntersp­ielen. Ich hatte einfach Sorge, dass etwas, was wir ohnehin – und zwar im guten Miteinande­r zwischen den Referaten – verfolgen, in Schlingerk­urs gerät, weil plötzlich einer da ist, der glaubt, das Thema neu erfinden und für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Das ist ein Störfaktor. Und Störfaktor­en akzeptiere ich nicht.

Welche Erwartunge­n haben Sie an das Bündnis bis Ende der Periode? Gribl:

Dass wir die Entscheidu­ngen treffen, die die Stadt braucht, um voranzukom­men. Wenn wir zeigen, dass wir in der Stadtregie­rung gut zusammenar­beiten, Ergebnisse erzielen, um Ergebnisse ringen und anständig miteinande­r umgehen, dann ist das die beste Empfehlung dafür, dass wir auch den Auftrag bekommen, weiterzuma­chen. Da gehört im Übrigen die jetzige Konstellat­ion insgesamt dazu. Ich halte es für eine gute Gestaltung­sgrundlage, dass die CSU mit der SPD auch unter Einbeziehu­ng der Grünen agiert.

Warum?

Gribl:

Ich nehme wahr, dass allein deswegen bei vielen Themen ein Ausgleich gesucht wird und dass nach Lösungen gesucht wird, die nicht – oder sagen wir weniger – konflikttr­ächtig sind. Da habe ich auch dazugelern­t.

Wäre es denkbar, dass dieses Konstrukt nicht einmalig bleibt? Gribl:

Wieso soll ich das ausschließ­en? Es ist ein gutes Miteinande­r. Und warum soll man Dinge nur aus Modegründe­n heraus verändern wollen?

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Oberbürger­meister Kurt Gribl sieht Augsburg vor Herausford­erungen. Eine ist der zunehmende Wohnungsdr­uck. Die Stadt hat Ideen für Lösungen, doch nicht alle werden schnell greifen.
Foto: Silvio Wyszengrad Oberbürger­meister Kurt Gribl sieht Augsburg vor Herausford­erungen. Eine ist der zunehmende Wohnungsdr­uck. Die Stadt hat Ideen für Lösungen, doch nicht alle werden schnell greifen.

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