Entdeckungsreise an Weihnachten
Die Zeit zwischen den Jahren ist für Rück- und Ausblicke gut. Aber auch noch für einige andere Dinge
An Weihnachten setzt alljährlich eine Massenbewegung ein. Die, die es wie ich nicht mehr am Tisch aushalten und zwischen Braten, Ente, Knödeln, Raclette und Fondue einmal an die frische Luft müssen, um das Völlegefühl loszuwerden und – wenn man lange genug gelaufen ist – möglicherweise wieder etwas Raum zu schaffen für eine kleine Scheibe Stollen oder ein Stückchen Schokoladenbrot.
Der erste Weihnachtsfeiertag gehört natürlich der Familie. Spätestens nach dem Mittagessen ist es aber der Tag der Spaziergänger. An keinem Tag – mal von Neujahr abgesehen – gehen so viele Augsburger die Wertach oder den Lech entlang, streifen durch den Siebentischwald oder durchs eigene Viertel. Ich bin auch unterwegs, Zeit, um Luft zu holen, Zeit für Entdeckungen. Im Thelottviertel gibt es viele weihnachtlich geschmückte Fenster und Türstöcke. Lichterketten sind an Fassaden und Bäumen befestigt. Einer gefällt mir ganz besonders. Eigentlich ist er ganz nackt, die Blätter sind alle abgefallen, die dürren Äste fristen ihr winterliches Dasein. Doch die Familie, die in dem Haus wohnt, hat ihn mit großen, roten Weihnachtskugeln geschmückt und ihm so ein festliches Äußeres verpasst. So kann auch er neben den mit Lichterketten versehenen Tannen strahlen. Im Wittelsbacher Park ist von Weihnachten nicht mehr allzu viel zu spüren. Ein Surren liegt in der Luft, ein junger Mann lässt eine Drohne fliegen – womöglich ein Weihnachtsgeschenk.
Die beiden Big Packs auf Höhe der Pfarrkirche St. Anton erinnern an einen ertragreichen Sommer und Herbst.
Sie ermögliwird? chen das Gärtnern für jedermann, eine schöne Aktion der Stadt und des Arbeitskreises Urbane Gärten. Die Pflanzensäcke werden von Anwohnern bepflanzt und gepflegt, mancher Passant pflanzt etwas hinzu. Das ergibt ein buntes Durcheinander von Schnittlauch, Basilikum, Dill, Petersilie, Bohnen und Sonnenblumen. Die Säcke zeigen noch die Spuren dieses Jahres und machen Lust auf das kommende Jahr. Was dann wohl dort gesät Zeit, selber über das neue Jahr nachzudenken – das Unwort Vorsätze schießt durch den Kopf. Weniger Essen, mehr Bewegung liegt bei diesem Rundgang auf der Hand, wird aber gleich wieder verdrängt, weil sich die Rosenau so wunderbar im Licht der untergehenden Wintersonne präsentiert. Still liegt das Stadion in der ohnehin schon staden Zeit vor den Spaziergängern, die vom Wittelsbacher Park zur Wertach laufen. „RotGrün-Weiß sind unsre Farben, in der Rosenau sind wir daheim, ja wir lieben unsre Stadt, ja wir lieben unseren Club und wir stehen treu zu unserem Verein“, heißt es in einem FCA-Lied. Das Stadion ist ein Erinnerungsort, ein Ort für meine Erfolge und Niederlagen bei den Bundesjugendspielen während meiner Schulzeit, aber auch ein Ort für Erfolge und Niederlagen des FC Augsburg. Das 1:2 gegen Jahn Regensburg im Sommer 2005, als der FCA den Aufstieg aus der Regionalliga Süd in die zweite Liga verpasste, schmerzt heute noch.
Heute, in der ersten Liga, fällt diese Erinnerung leichter. Auf welchem Tabellenplatz der FCA wohl abschließen wird? Silvester werde ich mit einem Mehr-GängeEssen bei Freunden feiern. Deshalb weiß ich heute schon, was ich am 1. Januar tun werde: Spazieren gehen. Zeit für Entdeckungen. Und gute Vorsätze?
Miriam Zissler, 40, ist in Augsburg aufgewachsen und kennt hier jeden Winkel und jede Abkürzung. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichten aus dem Familienleben.