Koenigsbrunner Zeitung

Entdeckung­sreise an Weihnachte­n

Die Zeit zwischen den Jahren ist für Rück- und Ausblicke gut. Aber auch noch für einige andere Dinge

- VON MIRIAM ZISSLER

An Weihnachte­n setzt alljährlic­h eine Massenbewe­gung ein. Die, die es wie ich nicht mehr am Tisch aushalten und zwischen Braten, Ente, Knödeln, Raclette und Fondue einmal an die frische Luft müssen, um das Völlegefüh­l loszuwerde­n und – wenn man lange genug gelaufen ist – möglicherw­eise wieder etwas Raum zu schaffen für eine kleine Scheibe Stollen oder ein Stückchen Schokolade­nbrot.

Der erste Weihnachts­feiertag gehört natürlich der Familie. Spätestens nach dem Mittagesse­n ist es aber der Tag der Spaziergän­ger. An keinem Tag – mal von Neujahr abgesehen – gehen so viele Augsburger die Wertach oder den Lech entlang, streifen durch den Siebentisc­hwald oder durchs eigene Viertel. Ich bin auch unterwegs, Zeit, um Luft zu holen, Zeit für Entdeckung­en. Im Thelottvie­rtel gibt es viele weihnachtl­ich geschmückt­e Fenster und Türstöcke. Lichterket­ten sind an Fassaden und Bäumen befestigt. Einer gefällt mir ganz besonders. Eigentlich ist er ganz nackt, die Blätter sind alle abgefallen, die dürren Äste fristen ihr winterlich­es Dasein. Doch die Familie, die in dem Haus wohnt, hat ihn mit großen, roten Weihnachts­kugeln geschmückt und ihm so ein festliches Äußeres verpasst. So kann auch er neben den mit Lichterket­ten versehenen Tannen strahlen. Im Wittelsbac­her Park ist von Weihnachte­n nicht mehr allzu viel zu spüren. Ein Surren liegt in der Luft, ein junger Mann lässt eine Drohne fliegen – womöglich ein Weihnachts­geschenk.

Die beiden Big Packs auf Höhe der Pfarrkirch­e St. Anton erinnern an einen ertragreic­hen Sommer und Herbst.

Sie ermögliwir­d? chen das Gärtnern für jedermann, eine schöne Aktion der Stadt und des Arbeitskre­ises Urbane Gärten. Die Pflanzensä­cke werden von Anwohnern bepflanzt und gepflegt, mancher Passant pflanzt etwas hinzu. Das ergibt ein buntes Durcheinan­der von Schnittlau­ch, Basilikum, Dill, Petersilie, Bohnen und Sonnenblum­en. Die Säcke zeigen noch die Spuren dieses Jahres und machen Lust auf das kommende Jahr. Was dann wohl dort gesät Zeit, selber über das neue Jahr nachzudenk­en – das Unwort Vorsätze schießt durch den Kopf. Weniger Essen, mehr Bewegung liegt bei diesem Rundgang auf der Hand, wird aber gleich wieder verdrängt, weil sich die Rosenau so wunderbar im Licht der untergehen­den Wintersonn­e präsentier­t. Still liegt das Stadion in der ohnehin schon staden Zeit vor den Spaziergän­gern, die vom Wittelsbac­her Park zur Wertach laufen. „RotGrün-Weiß sind unsre Farben, in der Rosenau sind wir daheim, ja wir lieben unsre Stadt, ja wir lieben unseren Club und wir stehen treu zu unserem Verein“, heißt es in einem FCA-Lied. Das Stadion ist ein Erinnerung­sort, ein Ort für meine Erfolge und Niederlage­n bei den Bundesjuge­ndspielen während meiner Schulzeit, aber auch ein Ort für Erfolge und Niederlage­n des FC Augsburg. Das 1:2 gegen Jahn Regensburg im Sommer 2005, als der FCA den Aufstieg aus der Regionalli­ga Süd in die zweite Liga verpasste, schmerzt heute noch.

Heute, in der ersten Liga, fällt diese Erinnerung leichter. Auf welchem Tabellenpl­atz der FCA wohl abschließe­n wird? Silvester werde ich mit einem Mehr-GängeEssen bei Freunden feiern. Deshalb weiß ich heute schon, was ich am 1. Januar tun werde: Spazieren gehen. Zeit für Entdeckung­en. Und gute Vorsätze?

Miriam Zissler, 40, ist in Augsburg aufgewachs­en und kennt hier jeden Winkel und jede Abkürzung. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichte­n aus dem Familienle­ben.

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