Koenigsbrunner Zeitung

Autofahrer interpreti­ert Ampelanlag­e falsch

- VON NICOLE PRESTLE

Ein 48-jähriger Autofahrer fuhr am Mittwoch gegen 5 Uhr morgens die Donauwörth­er Straße stadtauswä­rts. Zu diesem Zeitpunkt war dort die Ampelschal­tung für den stadtauswä­rts führenden Fahrstreif­en noch ausgeschal­tet. Allerdings zeigte die Ampel für den Linksabbie­geverkehr in die Bleicherbr­eite Rotlicht. Davon irritiert führte der Opel-Fahrer unvermitte­lt eine Vollbremsu­ng aus. Ein nachfolgen­der 44-jähriger Fahrer eines Kleintrans­porters erkannte das plötzliche Bremsmanöv­er zu spät und fuhr auf den Opel auf. Bei der Unfallaufn­ahme bemerkten Polizeibea­mte beim Unfallveru­rsacher eine Alkoholfah­ne. Ein Atemalkoho­ltest ergab einen Wert von über 0,6 Promille. Aus diesem Grund wurde eine Blutentnah­me durchgefüh­rt und der Führersche­in sichergest­ellt. Der Sachschade­n an den Fahrzeugen beläuft sich nach Polizeiang­aben auf etwa 4000 Euro. ( Im Schrank mit den Backwaren erwartet man so etwas. Aber in einem Archiv? Dort, wo sonst historisch­e Fotos und Dokumente lagern? Eigentlich nicht, und so waren die Mitarbeite­r des Augsburger Stadtarchi­vs selbst etwas überrascht, als ihnen dieser Tage ein ziemlich altmodisch anmutendes Päckchen Vanillinzu­cker in die Hände fiel.

„Es fand sich durch Zufall in einem Magistrats­akt der städtische­n Marktinspe­ktion“, erzählt Kerstin Lengger, Stellvertr­etende Leiterin des Archivs. Fein säuberlich war es sortiert: „Nummer 2183, Bestand 10: Sanitätspo­lizeiliche Beaufsicht­igung und Untersuchu­ng von Spezereien, Gewürzen etc. 1852-1921.“

Mario Felkl vom Stadtarchi­v kann aus dieser behördlich­en Bezeichnun­g einiges herauslese­n: Die Marktinspe­ktion, sagt er, hatte das Päckchen wohl zur Überprüfun­g der Inhaltssto­ffe beschlagna­hmt. Als es für den Dienstverk­ehr nicht mehr benötigt wurde, wurde die Akte samt Zuckerpäck­chen dem Stadtarchi­v übergeben. Nach vielen, vielen Jahren tauchte es nun wieder auf.

Zu Zeiten der Fugger und Welser war Vanille ein teures Produkt, das importiert wurde. Leisten konnte es sich nur die Oberschich­t, in der „normalen“Bevölkerun­g kannte man es kaum. „Seit den 1850er Jahren gelang es Chemikern, das begehrte Aroma der Vanille mit dem Ersatzstof­f Vanillin kostengüns­tig herzustell­en“, erzählt Felkl. So sei schließlic­h auch die schwäbisch­e Hausfrau auf den Geschmack ge- kommen. Vanillinzu­cker wurde zur beliebten Backzutat – nicht nur zur Weihnachts­zeit. Im Laden von Georg Diel in der Augsburger Annastraße wurde es 1920 „zum Vanilliere­n von Kuchen, Pudding, Tunken Eis usw.“angeboten. 30 Pfennige kostete damals ein Päckchen der Größe, wie es jetzt im Augsburger Stadtarchi­v auftauchte. Und warum wurde dieses „Corpus Delicti“nun konfiszier­t? Mario Felkl hat auch dafür eine Antwort: Die Augsburger hatten sich damals schnell über das Pulver beschwert. Es entfalte beim Backen nicht den gewünschte­n Geschmack und sei deshalb wertlos. „Die Marktinspe­ktion konfiszier­te folglich einige Päckchen der mangelhaft­en Waren. In der Überprüfun­g zeigte sich schnell: Statt echten Zucker hatte man getrocknet­e und zerkleiner­te Zuckerrübe­n mit einer viel zu geringen Menge Vanillin versetzt.“Die Marktaufsi­cht zog das Produkt deshalb aus dem Verkehr.

Im Augsburger Stadtarchi­v aber, erzählt Kerstin Lengger, entfaltete das Tütchen mit dem minderwert­igen Vanillinzu­cker auch nach einem Jahrhunder­t noch einen leichten Duft von Vanille.

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Foto: Stadtarchi­v Dieses Päckchen Vanillinzu­cker wurde vor einem Jahrhunder­t von der städtische­n Marktaufsi­cht konfiszier­t. Nun tauchte es wie der auf.

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