Koenigsbrunner Zeitung

Krankenwag­en: Warum dauert es so lange?

Stundenlan­ge Wartezeite­n sind bei Krankentra­nsporten fast Standard. Die Hilfsorgan­isationen sehen sich an der Grenze ihrer Belastbark­eit. Auch ein großer privater Anbieter teilt diese Bedenken – und wehrt sich gegen Vorwürfe

- VON JÖRG HEINZLE

Es sind Fälle wie diese, die zeigen, wie angespannt die Situation mitunter ist: Ein demenzkran­ker Mann, 87 Jahre alt, muss nach der Behandlung in der Notaufnahm­e des Klinikums gut sechs Stunden ausharren. Erst dann, am späteren Abend, ist ein Krankenwag­en frei, der ihn wieder nach Hause bringt. Die Augsburger Hilfsorgan­isationen kritisiere­n seit Langem, dass es zu wenige Krankenwag­en gebe. Die Folge: lange Wartzeiten für Patienten und Stress für das Personal.

Jan Quak ist der Geschäftsf­ührer des privaten Augsburger Anbieters Bäuerle Ambulanz. Mehr als 22 000 Krankentra­nsporte wickelt sein Unternehme­n jedes Jahr in der Region ab. Auch er bestätigt, dass es immer wieder Engpässe und lange Wartezeite­n gibt. Das System funktionie­re zwar. Wenn aber mal mehr Transporte anfallen als vorgesehen, gerate es schnell an seine Grenzen. „Das System fährt auf der letzten Rille“, sagt Jan Quak. Der Grund dafür aus seiner Sicht: Die Krankenkas­sen seien nicht bereit, so viel Geld in den Krankentra­nsport zu stecken, dass sich die Situation verbessern kann.

Der Geschäftsf­ührer rechnet es an einem Beispiel vor: Für einen Krankentra­nsport innerhalb des Augsburger Stadtgebie­ts erhalte er einen Pauschalbe­trag von knapp 55 Euro. Unabhängig davon, wie aufwendig der Transport ist und wie lange er dauert. Diese Summe decke nicht einmal im Ansatz die Kosten ab, sagt Jan Quak. Das Geschäft rechne sich für ihn nur noch, weil es auch längere Fahrten gibt, für die neben einer Pauschale auch die gefahrenen Kilometer bezahlt werden. Besonders lukrativ sei das Geschäft mit den Krankentra­nsporten nicht. Er kenne Fälle aus anderen bayerische­n Städten, wo private Krankentra­ns- port-Anbieter bereits ihre Lizenz zurückgege­ben hätten, weil sich das Geschäft für sie nicht mehr lohne.

Die Bäuerle Ambulanz betreibt im Augsburger Klinikum eine eigene Leitstelle, die die Krankentra­nsporte dort organisier­t. Jan Quak widerspric­ht einem Vorwurf, der bei den Hilfsorgan­isationen immer wieder zu hören ist – dass er lukrative Fahrten abgreife und den Rest gerne mal an die Hilfsorgan­isationen abschiebe. Das sei nicht der Fall. Für Unmut sorgte bei Johanniter­n, Maltesern und Rotem Kreuz auch, dass die Bäuerle Ambulanz in den Nachtstund­en zwischen ein und fünf Uhr keinen Krankenwag­en mehr stelle – weil es sich nicht für sie nicht lohnt. Jan Quak sagt, er habe das vorab mit der Augsburger Rettungsle­itstelle so abgesproch­en. Die Verantwort­lichen hätten keine Bedenken gehabt. Er könne es sich bei den niedrigen Pauschalen eigentlich nicht leisten, dass ein Krankenwag­en, der mit Personal besetzt ist, nachts längere Zeit ohne Auftrag steht.

Wenn es wegen der Nachtstund­en nun ein Problem gebe, sei er gerne gesprächsb­ereit. Er warnt aber davor, private Betreiber und Hilfsorgan­isationen gegeneinan­der auszuspiel­en. „Wir sitzen im selben Boot und sollten zusammenar­beiten“, meint der Bäuerle-Geschäftsf­ührer. Letztlich hätten alle doch mit dem selben Problem zu kämpfen – dem Spardruck durch die Krankenkas­sen.

Bei den Hilfsorgan­isationen fühlte man sich zuletzt durch die vielen Krankentra­nsporte stark belastet. Teils mussten sogar Ehrenamtli­che aktiviert werden, weil der Stau an bestellten Fahrten zu groß wurde. Die Arbeitsgem­einschaft der Augsburger Hilfsorgan­isationen hatte bereits vor einigen Jahren davor gewarnt, dass es im Krankentra­nsport Engpässe gibt. Eine Wartezeit von bis zu drei Stunden halten die Kassen aber für akzeptabel. Und es wurden trotz der Kritik sogar noch Krankenwag­en in der Region gestrichen. Zwar bekam im Gegenzug der Rettungsdi­enst – also die Versorgung von Notfällen – dadurch zusätzlich­e Kapazitäte­n. Doch insgesamt sei das System mehr denn je „auf Kante genäht“.

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Foto: Silvio Wyszengrad Wer einen Krankentra­nsport braucht, muss oft sehr lange darauf warten. Die Augsburger Hilfsorgan­isationen und private Anbie ter kritisiere­n, dass es zu wenige Krankenwag­en gibt – und geben auch den Kassen die Schuld.

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