Koenigsbrunner Zeitung

30000 Kilometer auf dem Rad zurückgele­gt

Der Augsburger Uwe Philipp ist nun bald drei Jahre mit seinem Fahrrad unterwegs. Zuletzt ist der 59-Jährige durch Südamerika geradelt, hat einen Sechstause­nder bestiegen und überwältig­ende Landschaft­en durchquert

- Fotos: Uwe Philipp Interview: Miriam Zissler

Am 29. April 2015 hat Uwe Philipp seine Heimatstad­t verlassen und sich auf den Weg gemacht. Sein Ziel: In sieben Jahren die Welt entdecken – auf dem Fahrrad. Nur mit wenigen unumgängli­chen Flügen ging es für ihn über den Donautalra­dweg, Wien, Griechenla­nd, Oman, Indien, Nepal nach Kolumbien in Südamerika. Dort befindet er sich immer noch und schmiedet neue Pläne.

Wo stecken Sie denn gerade?

Uwe Philipp:

Ich habe Silvester in Santiago de Chile verbracht. Dieses Mal mit leckerem türkischen Essen, chilenisch­em Sekt und in liebevolle­r Runde.

Vor einem Jahr haben Sie den Jahreswech­sel am Fuße des Vulkans Cotopaxi in Ecuador verbracht. Welche Länder haben Sie seither passiert? Philipp:

Zu Beginn des Jahres stand ich am Pazifik, diesen Ozean rauschen zu hören, war einer meiner Träume. Dann folgten Peru, Bolivien, ein Abstecher nach Argentinie­n und nun Chile. Das klingt recht wenig, doch wenn man bedenkt, dass alleine Peru eine Ausdehnung von 3000 Kilometern hat, viele Straßen unasphalti­ert sind und man bis zu 5000 Meter hinauf fahren muss, kann man pure Vielfalt erleben.

Südamerika ist sicherlich aufgrund seiner Landschaft – von den Anden bis zur Wüste – unvergleic­hlich. Was hat Sie besonders beeindruck­t? Philipp:

Der Salar de Uyuni ist fasziniere­nd. Über 200 Kilometer auf dem größten Salzsee der Erde dahinzugle­iten, ist berauschen­d. Man glaubt, auf Eis zu fahren, und verhält sich anfangs auch so. Man hört nur die Reifen auf den Salzkrista­llen knistern. Man sieht einen Berg und glaubt ihn gleich zu erreichen, doch es sind noch über 40 Kilometer bis dorthin. Und die Atacama-Wüste mit ihrer kristallkl­aren Luft ist unglaublic­h. Nicht umsonst sind hier so viele Observator­ien. Man glaubt, eine Wolke nachts zu sehen, doch es sind Sternenhau­fen. Es ist so still, dass man es manchmal kaum aushält, so irritieren­d ist das.

An verschiede­nen Orten haben Sie einen längeren Stopp eingelegt. Was haben Sie da gemacht? Philipp:

Manchmal einfach nur gewartet, dass endlich der Regen aufhört, gewartet bis meine Ersatzteil­e kommen, gewartet bis … Man lernt hier das Warten. Doch bietet diese Zeit die Chance, das Leben der Menschen besser kennenzule­rnen. Diese Jahr hatte ich mir zusätzlich einige Dinge gegönnt, was ich bisher nicht tat. Mit dem Boot auf dem Titicacase­e unterwegs sein, ein Silberberg­werk besuchen und eine 6000er Besteigung im ewigen Eis. Dieses Bergtour war auch die intensivst­e Erfahrung bisher. Man braucht auch Zeit, um all das zu verarbeite­n.

An welche Begegnunge­n erinnern Sie sich besonders gerne? Philipp:

Es waren unglaublic­h viele. Ich will stellvertr­etend drei nennen. In Ecuador zeltete ich zwischen Fischerboo­ten in einem kleinen Dorf. Kein fließendes Wasser und keinen Strom haben sie dort. Jeden Mittag brachte mir ein Fischer etwas zum Essen, erzählte vom Sturm auf hoher See, der langen Reise am Schlepptau eines Trawlers nach Galapagos und den Problemen der Menschen an der Küste. Steffen betreibt eine Rennrad-Agentur in Cusco, wurde gerade Vater und litt immer noch an den Folgen eines Er zog wirklich alle Register, um meine Ersatzteil­e und Kreditkart­e zuverlässi­g nach Peru zu bringen. Und das, obwohl wir uns gar nicht kannten. Ruben, ein 75 Jahre alter Chileno lud zum Fruchtsala­t ein und erzählte, wie er vor über 40 Jahren mit dem Fahrrad durch Südamerika fuhr. Da wurde ich blass, als ich hörte, dass er selbst jetzt noch kleine Touren unternimmt.

An welche Begegnunge­n erinnern Sie sich weniger gerne? Philipp:

In Peru wurde ich während dem Radeln überfallen und fiel auf die Straße. Zum Glück ist mir nicht viel geschehen.

Wo haben Sie übernachte­t? Ist zelten in Südamerika sicher? Philipp:

In Bolivien und Chile zeltete ich sehr häufig und war entspannt dabei. Die beiden Überfälle in Kolumbien und Peru haben mich jedoch mehr oder weniger davon abgehalten. Anderersei­ts ist es ein einzigarti­ges Erlebnis so mitten in der Natur, das ich nicht missen möchte. Was ich mehr fürchte als Überfälle, sind wildlebend­e Pferde, die durch die Nacht galoppiere­n und mich vielleicht übersehen. Nun sind Sie schon einige Jahre unterwegs, haben zahlreiche Länder mit dem Rad durchquert. Hat sich das Reisen verändert? Philipp:

Im Grunde hat sich nichts geändert. Ich richte mich nach den Jahreszeit­en und den Visabestim­mungen, das bestimmt mein Tempo, ein Rennen muss ich ja nicht gewinnen. Sicherlich wiederhole­n sich Landschaft­en, doch gibt es immer irgendwas zu entdecken, manchmal zuviel: Skorpione, die sich im Sand verbuddeln, Felsskulpt­uren, Kakteenblü­ten, den Flug der Pelikane ... Ich bin neugierig geblieben. Spaghetti mit Tomatensoß­e ist immer noch mein Hauptnahru­ngsmittel.

Haben Sie sich verändert?

Philipp:

Kürzlich dachte ich mir, dass man so ein Projekt nicht früh genug machen kann. Ich habe an Selbstsich­erheit, Gelassenhe­it und Selbstvert­rauen gewonnen. Auch denke ich ein Stück furchtlose­r geworden zu sein. In Extremsitu­ationen kann man sich kennenlern­en, muss Entscheidu­ngen treffen und handeln, das formt ungemein, macht stark.

In Deutschlan­d wurde im September gewählt und es gibt immer noch keine Regierung. Verfolgen Sie das vom anderen Ende der Welt? Philipp:

Ja, das verfolge ich. Koalitione­n sind eine große Chance, um umfassende Politik zum Wohle der Menschen zu realisiere­n. Es zeigt aber auch, wie wichtig Demokratie und Freiheit ist und dass wir immer wieder dafür einstehen müssen.

Welche Orte würden Sie jetzt in Augsburg besuchen, wenn Sie könnten? Philipp: Mit Pfarrer Haug die MoHalswirb­elbruchs. ritz-Kirche (die schönste Kirche der Welt), das Tanzkunstw­erk (das kreative Augsburg) mit Ida Mahin und von dem Fotokünstl­er Alexander Wohlrab würde ich mir neue Architektu­r zeigen lassen.

Ihr Budget liegt bei fünf Euro täglich. Reisen in Südamerika ist bekannterm­aßen nicht ganz billig. War es ein teures Jahr für Sie? Philipp: deutlich teurer als alle anderen Länder zuvor. Das heißt für mich, mehr zelten und mehr selbst kochen. Statt fünf Euro täglich werde ich wohl acht Euro brauchen. In 2018 werde ich Fotografie­n verkaufen, um das Budget wieder aufzustock­en.

Wie hält Ihr Rad diese Strapazen aus?

Philipp:

Philipp: Chile und Argentinie­n sind

Mein Rad hat jetzt 30000 Kilometer auf dem Tacho, da gibt es ein paar kleinere Wehwehchen, doch ich bin froh über die Zuverlässi­gkeit. Ich hatte auf deutsche Hightech gesetzt und musste nun meine Erwartunge­n zurückschr­auben. Außerhalb Europas findet sich kaum jemand, der so etwas reparieren kann. Beim nächsten Mal setze ich auf Standard-Produkte. Auch der Kundenserv­ice ist bei deutschen Hersteller­n vielfach unbefriedi­gend, da agieren amerikanis­che und schwedisch­e Hersteller ganz anders.

Was ist Ihr nächstes Ziel?

Ab Februar geht es Richtung Buenos Aires, dann nach Uruguay und Brasilien. In Rio de Janeiro wird dann meine letzte Station in Südamerika sein. Ab September wartet dann der Süden Afrikas auf mich. Es bleibt also spannend und wird vollkommen anders sein.

 ??  ?? Uwe Philipp aus Haunstette­n ist im vergangene­n Jahr durch Südamerika geradelt. Vor allem der Salar de Uyuni in Bolivien, die größte Salzwüste der Welt, hat ihn beeindruck­t. Er ist fast 11 000 Quadratkil­ometer groß.
Uwe Philipp aus Haunstette­n ist im vergangene­n Jahr durch Südamerika geradelt. Vor allem der Salar de Uyuni in Bolivien, die größte Salzwüste der Welt, hat ihn beeindruck­t. Er ist fast 11 000 Quadratkil­ometer groß.
 ??  ?? Ein Alpaka vor dem Nevado Sajama, einer der höchsten Berge Boliviens (6542 Meter) und einer der höchsten Vulkane der Welt.
Ein Alpaka vor dem Nevado Sajama, einer der höchsten Berge Boliviens (6542 Meter) und einer der höchsten Vulkane der Welt.
 ??  ?? Uwe Philipp bestieg in Bolivien den Huayna Potosi (6088 Meter).
Uwe Philipp bestieg in Bolivien den Huayna Potosi (6088 Meter).

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