Eintauchen in eine heile Welt
Dieter Rothenfußer ist ein Tüftler. Ihn beschäftigen Technik, Heimatgeschichte und Nostalgie. Mit seinen Landschaften erweckt er so die kleine Welt zu großem Leben. Das können am Wochenende alle sehen
Langenneufnach/Neusäß
Im Keller von Dieter Rothenfußer herrscht reger Verkehr. In einem Raum des Langenneufnacher Elektrotechnikers ziehen Eisenbahnen auf stabilen Holzplatten schnaufend und ratternd an den Wänden entlang. Allein schon das Geräusch fasziniert. Es assoziiert einen wirklichkeitsnahen Fahrbetrieb. Tatsächlich pflügen die Lokomotiven durch eine fesselnde Miniaturwelt. Trotzdem: Die Modelleisenbahn von Dieter Rothenfußer, stellvertretendem Vorsitzenden des Modelleisenbahnclubs Neusäß, ist weit mehr als nur ein Spielzeug.
Begonnen hat seine Leidenschaft für Lokomotiven, Schienen, Figuren und Landschaften im Kleinformat bereits im Alter von drei Jahren. Damals erhält er eine Holzeisenbahn. „Die Faszination für die Miniaturwelt ist mir quasi in die Wiege gelegt worden“, sagt Rothenfußer und schmunzelt. Ein Jahr später liegt unter dem Weihnachtsbaum eine elektrische Märklin-Eisenbahn. Im Schulalter bastelt er bereits Häuser, Schranken und andere Kulissen, um seiner Bahn Leben und Authentizität einzuhauchen.
Das Hobby lässt Dieter Rothenfußer nicht mehr los. 1974 tritt er dem Modelleisenbahnclub Neusäß (MECN) bei. Damals, in jungen Jahren, darf er die Anlage des Vereins mitgestalten. Eine Herausforderung, der er sich gerne stellt. Da sie in Spur 0 (Maßstab 1:45) angelegt ist, also in etwa doppelt so groß wie die herkömmliche Spurweite H0, sind Zubehörteile Mangelware. Hier lässt er seiner Kreativität freien Lauf. Er lernt nachhaltig den Umgang mit Werkzeugen wie Lötkolben, Klebepistole und Skalpell sowie Zusammenhänge zwischen Materialien, Gestaltung und Konstruktion kennen. Mit 16 Jahren erscheint sein erster Bericht über Modellbau in einer Fachzeitschrift.
Bis heute liegt seine Stärke im Landschafts- und Gebäudebau. Längst hat er dabei seinen eigenen Stil kreiert. Schnickschnack und Ef- fekthascherei lehnt er ab. Brennende Häuser oder Verkehrsunfälle sucht man in seinen Kulissen vergeblich. Rothenfußer sieht sein Hobby nämlich nicht als bloße Spielerei. Bei ihm müssen Technik und Dekoration miteinander harmonieren. Mittlerweile gehört sein Herzblut den schwäbischen Nebenbahnen. Dabei favorisiert er die Gegend im Raum Augsburg und Kaufbeuren sowie Memmingen und Ulm. Damit hebt sich der 51-Jährige von der Masse der Modelleisenbahner deutlich ab. „Das ist mir wichtig“, sagt er. Der Nachteil: Hier gibt es für den Modellbau kaum Materialien. Um detailgetreue und wirklichkeitsnahe Gebäude zu schaffen, ist er deshalb auf alte Pläne, Fotos und auch mal auf die persönliche Erinnerung angewiesen. „Nicht selten stöbere ich in alten Unterlagen und Archiven und spreche mit Zeitzeugen“, verdeutlicht er. Aus Theorie wird so spannende Praxis. Und noch etwas: Die Nachforschungen und Recherchen haben bei ihm eine tiefe Heimatverbundenheit ausgelöst.
2012 wechselt Dieter Rothenfußer bei seiner Anlage auf die gleiche Spurweite wie beim MECN, nämlich von H0 – der in Deutschland am weitesten verbreiteten Größe – auf die größere 0. Die Spurbreite 0 wirkt robuster. Hier lassen sich auch kleinere Zubehörteile meist noch ohne Arbeitslupe herstellen und bearbeiten. Sein letztes H0-Projekt im Maßstab 1:87 waren der Bahnhof von Bad Wörishofen und sein Umfeld im Zeitgeist der 1970er-Jahre. Seit Januar 2013 befindet sich das Modell im Vorzimmer des dortigen Bürgermeisters.
Eine Modelleisenbahn werde nie fertig, meint er. Auch wenn damit nur eine heile Welt nachgebildet werde. Es gebe immer etwas zu tun. Und zwischendurch müsse man mit ihr spielen, gesteht er. Für Rothenfußer ist die Modelleisenbahn ein „schönes, zuweilen zeitintensives Hobby.“Es sei facettenreich, spreche den kreativen und technischen Bereich an. Auch wenn dieses Genre bei Kindern und Jugendlichen nicht mehr den Stellenwert wie früher be- sitze. „Wenn ich aber bei den Ausstellungen des Modelleisenbahnclubs funkelnde Augen der Kinder und Erwachsenen sehe, bereitet mir das keine Sorgen.“ O Termin
Am Samstag und Sonntag, 6./7. Januar, sowie Sonntag, 14. Janu ar, haben die Züge und Lokomotiven des MECN von 10 bis 17 Uhr im Klubheim im Bahnhof Westheim an der Hinden burgstraße 4 Auslauf. Die rund 50 Quadratmeter große Anlage steht unter dem Motto „Steam Trains of North America“. Mit dabei: die drei Dampflok Giganten Challenger, Big Boy und H8.