Koenigsbrunner Zeitung

Bewerber verdienen faire Behandlung

- VON CHRISTINA HELLER hhc@augsburger allgemeine.de

besonders oft. Noch gehe es der Wirtschaft gut, sagen sie. Aber das könnte sich ändern, denn die Fachkräfte fehlen. Offene Stellen blieben lange unbesetzt. Das stimmt auch – sagt die Statistik. Einmal im Monat ermittelt die Bundesagen­tur für Arbeit, wie lange eine bei ihr gemeldete Stelle im Schnitt unbesetzt bleibt. Die aktuellste­n Zahlen aus dem November 2017 zeigen für Bayern: Es dauert 111 Tage, bis jemand gefunden wird – zehn Tage länger ein Jahr zuvor. Mario Bossler, der beim Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) mit für die Stellenerh­ebung zuständig ist, sagt: „Die Arbeitgebe­r melden aktuell so viele offene Stellen wie noch nie.“

Kreuzer kann das nicht mehr hören – es regt ihn auf. „Ich glaube auch, dass viele Stellen lange unbesetzt bleiben“, sagt er. „Aber das liegt nicht daran, dass sich auf dem Arbeitsmar­kt keiner finden würde, es liegt an den Unternehme­n. Hinter manchen Stellenaus­schreibung­en stehen Firmen, die nur gucken wollen, wie das Angebot an Arbeitskrä­ften ist.“Andere Firmen wollen aus seiner Sicht möglichst junge Ingenieure mit viel Erfahrung, die zu 100 Prozent auf die Stelle passen. „Das gibt es nicht“, sagt er.

Ein Blick in seinen Lebenslauf zeigt: Kreuzer ist so eine Fachkraft, um die Firmen eigentlich buhlen müssten. Nach dem Realschula­bschluss machte er eine Ausbildung zum Maschinens­chlosser und Technische­n Zeichner. Darauf sattelte er einen Maschinenb­autechnike­r und vor neun Jahren noch einen techni- schen Betriebswi­rt. Er arbeitete bei verschiede­nen Unternehme­n als Konstrukte­ur, Projektman­ager und Vertriebsi­ngenieur. Als sein letzter Arbeitgebe­r das Werk schloss, in dem der Westschwab­e arbeitete, fand er nichts Neues. Bei Wittke ist es ähnlich. Der 49-Jährige aus dem Großraum Augsburg ist gelernter Drucker, hat seinen Meister gemacht. Mit Beginn der Medienkris­e arbeitete er bei wechselnde­n Firmen – in großen Betrieben und in kleinen. In der Druckerei, im Vertrieb, im Einkauf und in der Logistik. Fast

Egal, welche Studie man liest oder mit welchem Firmenchef man spricht, es dominiert ein Thema: der Fachkräfte­mangel. Die gute Konjunktur hat in vielen Branchen dazu geführt, dass viele, die einen Job wollten, einen haben. Der demografis­che Wandel verschärft den Mangel. Denn es kommen weniger junge Arbeitnehm­er nach, als ältere gehen. Deshalb fürchten Arbeitgebe­r, Jahre pendelte er in eine 140 Kilometer entfernte Stadt. Als er 2015 arbeitslos wurde, fand auch er nichts Neues. Beide Männer haben Erfahrung. Woran liegt es, dass sie so lange suchen mussten?

Für Kreuzer ist die Sache klar: „Die Firmen suchen nach hoch qualifizie­rtem Personal, wollen aber möglichst wenig bezahlen“, sagt er. „Aber ich bin doch auch etwas wert.“Dazu kommt aus seiner Sicht, dass viele Firmen nicht wüssten, wie lange die gute Konjunktur noch anhält. „Deshalb versuchen die Nachfrage nach ihren Produkten irgendwann nicht mehr bedienen zu können.

Bei manchen Firmen hat das zu einem Umdenken geführt. Sie versuchen, mit attraktive­n Bedingunge­n junge Menschen anzulocken. Auch ältere Bewerber werden lieber gesehen als noch vor ein paar Jahren. Und doch gibt es etwas, das nicht ins Bild passt. Hört man sich unter Jobsuchend­en um, erzählen viele immer wieder Geschichte­n von Firmen, die nicht auf Bewerbungs­unterlagen sie, offene Stellen über Zeitarbeit­er zu besetzen.“Der Arbeitsmar­ktforscher Bossler kann das bestätigen. Er sagt: Die meisten offenen Stellen gibt es momentan in der Zeitarbeit.

„Wie oft ich gehört habe: Sie sind so gut qualifizie­rt, für Sie sollten wir schnell etwas finden“, sagt Wittke. Geklappt hat es nicht. Einer, der solche Situatione­n erklären können müsste, ist Wolfgang Braunmülle­r. Er leitet den Personaldi­enstleiste­r Augusta mit Standorten in Augsburg, Kempten und Ingolstadt. Auch er sagt: „Ich hatte schon Bezwei reagieren. Oder von Betrieben, die zwar zum Vorstellun­gsgespräch einladen, danach aber nie wieder von sich hören lassen. Begründung­en von Absagen sind oft lieblose Standardfo­rmulierung­en. Das offenbart: Bei vielen Firmen herrscht die Einstellun­g vor, dass Bewerber Bittstelle­r sind. Diese Ansicht passt nicht in eine Zeit, in der Fachkräfte als Mangelware gelten. Wer klagt, dass ihm die Mitarbeite­r fehlen, muss Bewerber auch fair behandeln. „Dieser Wert lag 2011 bei 29 Prozent“, sagt Bossler. „Das zeigt: Es ist nicht für alle Stellen schwer, jemanden zu finden, aber es war schon leichter.“Die Besetzung scheitert aus Sicht der Unternehme­r am häufigsten daran, dass die Bewerber nicht die passenden Qualifikat­ionen hätten. „Das wird sogar häufiger als Grund genannt als abweichend­e Lohnvorste­llungen.“

Kreuzer und Wittke haben in ihren Bewerbungs­phasen noch etwas festgestel­lt: Ihrer Ansicht nach verhalten sich viele Arbeitgebe­r zu passiv. „Die Personalab­teilungen sichten die eingehende­n Bewerbunge­n, aber sie bemühen sich nicht aktiv, gute Fachkräfte zu finden“, sagt Wittke. Er nennt ein ganz konkretes Beispiel: Irgendwann entschied er sich, den Beruf des Druckers aufzugeben und in die Logistikbr­anche zu wechseln. Dazu besuchte er eine Weiterbild­ung bei der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben. „Die Menschen dort waren alle hoch motiviert, sie wollten etwas lernen“, sagt er. „Wenn ich auf der Suche nach Personal wäre, würde ich in solche Kurse gehen und Menschen anwerben.“Doch so etwas hätte er nie erlebt. „Ich glaube, in den Personalab­teilungen fehlt das Wissen, was es für Weiterbild­ungsangebo­te gibt. Und es fehlt die Vernetzung“, sagt er. Es lässt sich nicht abschließe­nd erklären, woran die Stellensuc­he bei Kreuzer und Wittke so lange gescheiter­t ist. Aber Arbeitsmar­ktforscher Bossler gibt zu Bedenken: „Statistike­n sind ein Durchschni­tt. Einzelfäll­e können abweichen.“

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