Koenigsbrunner Zeitung

Die Mafia wird in Bayern immer aktiver

Verbrechen Wo die Clans im Freistaat sitzen und welche Geschäfte sie betreiben

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Bisher galt Bayern eher als „Ruheraum“für die Mafia. Als Gegend, wo Mitglieder untertauch­en können, sich dabei aber ruhig verhalten. Doch das hat sich offenbar in den vergangene­n Jahren geändert. Die kriminelle­n Clans aus Süditalien haben ihre Aktivitäte­n ausgedehnt und begehen im Freistaat zunehmend Straftaten. Das belegen Erkenntnis­se des Landeskrim­inalamts (LKA) und des Innenminis­teriums.

In Deutschlan­d leben hunderte Mafia-Mitglieder – das ist nicht erst seit der großen Razzia am Dienstag bekannt. Mehr als 170 Personen wurden festgenomm­en, der Großteil in Italien, elf in Deutschlan­d. Eine Festnahme erfolgte im Großraum München. Neu ist, dass die Verbrecher-Organisati­onen ihre illegalen Geschäfte ausbauen.

In Bayern leben nach Einschätzu­ng der Sicherheit­sbehörden 136 Mitglieder italienisc­her Mafia-Gruppierun­gen. Mit Abstand am stärksten vertreten ist die ’Ndrangheta aus Kalabrien mit 80 Leuten, die seit Jahren auch als mächtigste­r Mafia-Clan weltweit gilt. An zweiter Stelle folgt die kampanisch­e Camorra mit 30 Mitglieder­n. Diese beiden Organisati­onen sind es auch, die aktiver werden. Das geht unter anderem aus den Antworten des Innenminis­teriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktionsv­orsitzende­n Katharina Schulze aus dem November 2017 hervor.

Demnach ist die Zahl der ’Ndrangheta-Mitglieder im Freistaat in den vergangene­n beiden Jahren um rund zehn Prozent gestiegen. Die Bande habe „Stützpunkt­e“in Bayern errichtet, vorwiegend in München und Oberbayern sowie in Augsburg und Nürnberg. Die ’Ndrangheta betreibt vor allem Drogenhand­el und -schmuggel (Kokain), Geldwäsche und Steuerkaru­ssells. „Zum Beispiel werden Pizzeria-Betreiber erpresst, überteuert­e Lebensmitt­el nur von einem Lieferante­n zu beziehen“, sagt LKA-Sprecher Ludwig Waldinger. Die Camorra hat ihre Stützpunkt­e laut LKA im Allgäu und in Nürnberg. Sie handelt mit Drogen und Plagiaten und fälscht Geld. Im Gegensatz zu Italien agiert die Mafia in Bayern komplett im Verborgene­n: „Die Geschäfte werden so gemacht, dass es der normale Mensch nicht mitkriegt“, so Waldinger.

Genaue Zahlen über Verdächtig­e geben die Polizeiprä­sidien in Augsburg und Kempten aus strategisc­hen Gründen nicht bekannt. Im Allgäu liegt die Zahl der mutmaßlich­en Mafia-Mitglieder nach Recherchen unserer Zeitung im niedrigen zweistelli­gen Bereich. In Augsburg dürften es nicht mehr sein. Dort wurde 2016 ein Pizzeria-Betreiber verhaftet, der in Immobilien­geschäfte der ’Ndrangheta verwickelt sein soll. Die Verdächtig­en würden überwacht, so die Polizei. Dass überhaupt so viele Mafia-Mitglieder in Süddeutsch­land leben, hat historisch­e Gründe. Seit Ende der 60er und Anfang der 70er

Die Verdächtig­en werden systematis­ch überwacht

Jahre kamen viele Gastarbeit­er aus Italien, darunter eben auch manche, die bereits einer Mafia-Gruppierun­g angehörten oder für eine solche angeworben wurden.

Insbesonde­re bei der Geldwäsche spielt Deutschlan­d eine wichtige strategisc­he Rolle für die ’Ndrangheta. Das lag bislang auch daran, dass es keine speziellen „Anti-Mafia-Gesetze“wie in Italien gab. Seit 1. Juli 2017 hat sich das ein wenig geändert. Da trat ein neues Gesetz zur Vermögensa­bschöpfung in Kraft. Die Behörden können nun „Vermögen unklarer Herkunft“deutlich leichter beschlagna­hmen. Zuvor mussten Polizei und Justiz nachweisen, dass das Geld kriminelle­r Banden aus Verbrechen stammt. Nach der Gesetzesän­derung müssen nun die Kriminelle­n ihrerseits viel häufiger beweisen, dass das Vermögen auf legale Weise erworben wurde. »Kommentar

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