Eine Braut ganz aus Holz
Die etwas andere Liaison funktioniert auch ohne Hochzeit: Wann ein Baumstamm zur Zukünftigen wird und warum auch so etwas wie Liebe im Spiel ist, zeigt ein Beispiel aus Welden / Serie (5)
Einen Schleier hat sie genauso wenig wie ein traumhaft maßgeschneidertes Kleid: Wenn die Forstleute von der „Braut“sprechen, dann meinen sie den besonderen Holzstamm, der bei der Versteigerung den höchsten Festmeter-Erlös erzielt. „Die Braut ist eben etwas Wertvolles“, sagt Peter Schaffner, der Forstliche Berater der Forstbetriebsgemeinschaft GünzburgKrumbach, die mit der Nachbarvereinigung NeuUlm die große Leipheimer Wertholzsubmission organisiert. Baumstämme aus der ganzen Region werden dort verkauft. Aber nur einer wird zur „Braut“.
Ob es in diesem Jahr die zehn Meter lange Douglasie aus dem Staatswald nahe des Weiherhofs ist? Vermutlich nicht. Die Experten gehen zwar davon aus, dass die Holzart generell mehr als in den vergangenen Jahren nachgefragt wird. Aber den Festmeter-Höchstpreis wird der etwa 100 Jahre alte Stamm nicht erzielen. Das Rennen machen eher Lärchen und Eichen. „Davon gibt es heuer etliche schöne“, sagt Schaffner. So wie im vergangenen Jahr: Damals wurde eine fast 13 Meter lange Eiche für rund 10 000 Euro verkauft. Den Zuschlag erhielt das Sägeund Hobelwerk Ehrenreich aus Welden. Die Eiche stand etwa 300 Jahre im Wald nahe der Bäldleschwaige bei Tapfheim. Dann musste sie gefällt werden. Der Grund: Die Wurzeln waren von einer Pilzkrankheit befallen, der Baum verlor einen Kronenast und seine Blätter. Statt den oberen Teil des Stamms wegen möglicher schadhafter Stellen abzusägen, setzte Besitzer Maximilian Sailer auf die ganze Länge: Eine sehr gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Denn der alte Riese war in der Dimension einzigartig. Stefan Ehrenreich verliebte sich sofort in die spätere „Braut“. Zu seinem Sohn Lars sagte er damals: „Den Baum will ich unbedingt haben.“Tatsächlich gab Ehrenreich bei der Submission das höchste Gebot ab – 1260 Euro pro Festmeter, was unter dem Strich exakt 10 212 Euro bedeutete. Ein Tieflader brachte die besondere Eiche ins Säge- und Hobelwerk nach Welden.
Ende November wurde „Braut“im Dielenformat nach HamburgBlankenese transportiert. Dort suchte ein Architekt nach einem besonderen Boden für ein ungewöhnliches Gartenhaus einer alten Villa an der Elbe. Das Gebäude ist achteckig, hat ein Obergeschoss und einen Grundriss von 13 auf 13 Metern. Ein Glück, dass der frühere Besitzer Maximilian Sailer die Eiche nicht zersägt hatte – die „Braut“wurde zum großflächigen Fußbodenbelag, der jetzt von seinen neuen Besitzern geliebt wird.
Aus dem Wald in die Welt In einer Serie verfolgt die Redaktion den Weg einer Douglasie: Im November wurde sie nahe des Weiherhofs bei Gessertshau sen geschlagen, dann mit dem Rückefahr zeug aus dem Wald gebracht und schließlich nach Leipheim Riedheim transportiert, wo Ende Januar die große Wertholzsubmission stattfindet. Über 1500 Festmeter Fichte, Lärche, Dou glasie, Kiefer, Buche, Eiche, Esche, Ulme, Ahorn, Kirsche, Roteiche, Erle und an dere Raritäten lagern im Augenblick dort auf dem Platz – das ist ordentlich Holz vor der Hütte. Auf dem Gelände befanden sich früher atomare Sprengköpfe. Heu te ist es das grüne Gold. In der nächsten Folge der Serie geht es um die poten ziellen Käufer der Baumstämme: Wonach suchen sie und wie beurteilen sie ei gentlich die Stämme?