Sandra Richters süße Versuchungen
Unser Essen Im Café Contur in Meitingen gibt es traditionelle Torten und moderne Kreationen. Eine Besonderheit sind Naked Cakes: „nackte Kuchen“. Die wirken unordentlich, sind aber eine Herausforderung. / Serie (29)
Meitingen Wer zielstrebig in eine Konditorei marschiert, erwartet mächtige Torten mit Sahne, Creme oder Zuckerglasur und dem Überraschungseffekt, wenn durch den Anschnitt des Kuchens das Innenleben sichtbar wird. Im Café Contur in Meitingen gibt es all diese süßen Leckereien – und einen Trend, der wenig vom Innenleben verbirgt und doch immer mehr
Fans findet: Naked
Cakes. In der wortwörtlichen Übersetzung heißt das „nackte Kuchen“und allein dieser Begriff verrät bereits, dass hier vermutlich weniger im Verborgenen bleibt. Diese Vermutung bestätigt die Café-Inhaberin und Konditormeisterin, Sandra Richter. Und sie erklärt, wie Naked Cakes hergestellt werden.
Für die Schoko-Knusper-Karamell-Torte werden zunächst die Böden gebacken, die später aufeinander geschichtet werden. Die Torte besteht aus sechs einzeln gebackenen Biskuit-Krokant-Böden, die im Fachjargon als Grillageböden bezeichnet werden. Diese sind deutlich dünner als ein regulärer Kuchenboden. Sind die Böden fertig, werden diese – mit jeweils einer Innenschicht aus Schoko-Karamell-Buttercreme – aufeinander geschichtet. Den obersten Boden der Torte ziert ein SahneKaramell-Spiegel.
Die Kunst an dieser Form des Backens ist, dass sie unordentlich wirkt, aber eben das nicht sein darf, verrät die Konditorin. Das Stapeln der Biskuitböden erfordert Geschick und Können, denn die Buttercreme, die zwischen die Böden gestrichen wird, macht den Turm aus Böden zunächst recht instabil. Wer hier nicht mit Fingerspitzengefühl arbeitet, bekommt einen schiefen Naked Cake. Zudem muss die Masse zwischen den Biskuitböden auch wohl portioniert sein, sonst läuft am Ende die Hälfte davon aus der Torte heraus – „und das ist nicht das, was sich die Menschen von einer Konditorei erwarten“, erklärt die 40-Jährige.
Wie ihre Kunden auf die nackten Kuchen reagieren, beschreibt Sandra Richter so: Einige fragen nach, ob nicht etwas an der Torte fehle, denn die meisten sind Torten mit dem eingangs beschriebenen Zuckerguss oder Sahnekleid gewöhnt. Die Neugier bringt dann die meisten dazu, ein Stück des Naked Cakes zu probieren – und zur Sicherheit ein Stück eines Klassikers wie die Schwarzwälder Kirschtorte oder eine Prinzregententorte mitzunehmen.
Genau diese Mischung zeichnet auch die Kuchentheke im Café aus. Hier stehen eine Sachertorte und eine Spanische Vanilletorte neben exotischeren Kuchenstücken. Auch finden die Gäste hier regelmäßig eine der drei Naked-Cake-Varianten: Schoko-Knusper-Karamell, Joghurt-Sahne mit Früchten und Schoko-Sahne mit Himbeeren.
Das vielseitige Kuchenangebot geben dabei direkt und indirekt die Kunden vor. „Auf dem Land sind häufig traditionelle Kuchen gefragt“, erklärt Richter und ergänzt: „Ich persönliche liebe jedoch die Moderne.“Zudem richtet sich das Programm an besonderen Kuchen- oft auch danach, welche Torten für eine Hochzeit oder ein anderes Event vorbestellt werden. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, wird bei einer Vorbestellung natürlich nicht nur die Füllung für eine Torte hergestellt, sondern mindestens für sechs bis zehn Kuchen. In der Theke gibt es dann beispielsweise eine Kreation aus Ananas und Sahne, weil genau diese Mischung zur Füllung einer mehrstöckigen Hochzeitstorte bestellt wurde.
In puncto Kreativität und Geschmack setzt Sandra Richter kaum Grenzen. Ein Unternehmer aus der Region orderte einst zum runden Geburtstag eine Torte mit 1,20 Meter Durchmesser. Auch die Lieblingsfigur des Jubilars thronte auf der Torte. Allerdings weiß die 40-Jährige auch, was ihr Team aus drei Meistern, zwei Gesellen, zwei Lehrlingen und einer Helferin nicht anbieten kann: Vegane oder laktosefreie Torten hat das Contur nicht im Portfolio. Zu unwirtschaftlich wäre der Einkauf in Kleinstmengen, zu hoch wäre der Preis für eine Torte, die – gefertigt mit veganen oder laktosefreien Produkten – schnell mehr als doppelt so teuer würde. Auch ist es der Cafébetreiberin nicht möglich, eine Eistorte zu erstellen, die häufig zu Hochzeiten gewünscht ist.
Der Hauptteil der süßen Konditorwaren – dazu zählen nicht nur Kuchen und Torten, sondern auch Pralinen – werden direkt unterhalb des Cafés in der hauseigenen Konditorei gefertigt. An sieben Tagen in der Woche beginnt dort die Arbeitszeit bereits um fünf Uhr morgens. Zwei Stunden haben die Mitarbeiter dann Zeit, das sogenannte Tagesgebäck fertigzustellen, welches an diesem Tag frisch in der Theke angeboten wird – und zwar nicht nur in Meitingen. Auch das gleichnamige Café in Buttenwiesen sowie der ehemals elterliche Betrieb, den heute Sandra Richters Bruder führt, die Bäckerei Hierl in Ellgau, wird mit Konditorwaren aus Meitingen beliefert. Im Gegenzug bekommt Sandra Richter aus der Backstube in Ellgau Backwaren wie Semmeln und Brezen. „Wir haben vereinbart, uns gegenseitig zu beliefern, anstatt gemeinsam den elterlichen Betrieb zu führen“, erklärt die 40-Jährige. Zudem sei die Eröffnung einer Kondikreationen torei mit Café immer ihr Wunschtraum gewesen.
Dass das Tortengeschäft auch ein saisonales Geschäft ist, merkt Richter spätestens wieder ab Mitte Februar. „Mit Beginn der Fastenzeit steigt auch die Tortennachfrage“, erzählt sie lachend. In der Weihnachtszeit sind Plätzchen und Lebkuchen beliebt, ein kurzes Torten-Hoch im Januar wird von der Liebe zu Faschingskrapfen wieder eingebremst. Und dann beginnt auch schon die Fastenzeit. Hochbetrieb herrscht in der Backstube auch in der Hochzeitssaison, von Mai bis August. Dann sind vier bis fünf Mitarbeiter nur mit den Vorbereitungen für die Hochzeitstorten beschäftigt und die reguläre Arbeitszeit, die eigentlich um 13.30 Uhr endet, muss manchmal sogar aufgestockt werden.
Unter der Woche gehen täglich etwa 300 Stück Torten und Kuchen über die Ladentheke beider Filialen. 1000 bis 2000 Stück können es an Sonntagen werden. Etwa 25 Prozent der in Meitingen produzierten Kuchen und Torten werden ausgeliefert, unter anderem an einen Indoor-Spielplatz in der Region.