Grünkohl bei Nicoletta
Von norddeutschen Rezepten, dem inneren Schweinehund und neuen Freunden
ich bei dieser Einladung zu einem entspannten Abend, auf dem noch dazu eines meiner Lieblingsgerichte gekocht wurde? Energisch rief ich den Bedenkenträger in mir zur Ordnung, legte meinen inneren Schweinehund an die Kette und sagte zu!
Dann kam der große Tag! Eine weitläufige Altbauwohnung, zusammengerückte Tische, ein improvisiertes Getränkebuffet und dieser wunderbar herzhafte Grünkohlgeruch schon auf dem Flur. Die Gäste trudelten nach und nach ein, machten sich untereinander selbst bekannt und sofort begann das Fachsimpeln über das beste Grünkohlrezept. Großes Erstaunen, dass Grünkohl bis vor wenigen Jahren in Süddeutschland gänzlich unbekannt war, während es im Norden seit jeher zu den Winterklassikern gehört. Es muss einmal Bodenfrost gegeben haben, erst dann sollte der Grünkohl geerntet werden. In den großen Topf gehören Schweinebacke, Kasseler und Mettenden, die je nach Region auch Braunschweiger, Polnische oder Bregenwürste genannt werden. Das Fleisch gibt beim Garen dem Kohl seinen würzigen Geschmack, und wie bei einigen anderen Kohlgerichten gilt auch hier: Aufgewärmt schmeckt er am besten!
In Augsburg ist Grünkohl frisch auf dem Stadtmarkt zu haben, die dazugehörigen Fleischwaren zum Einkochen gibt es gleich nebenan in der Fleischhalle des Stadtmarktes. Wer die aufwendige Verarbeitung der riesig erscheinenden Grünkohlblätter aber scheut, dem sei – ganz im Vertrauen – Grünkohl aus der Tiefkühltruhe oder aus dem Glas ans Herz gelegt, bei der richtigen Zubereitung macht das am Ende keinen großen Unterschied. Probieren Sie es doch mal aus! Überflüssig zu erwähnen, dass der Abend bei Nicoletta großartig war! Eine bunte Mischung aller Altersklassen, gut gelaunte Gäste aus dem hohen Norden, aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, aus Berlin und Ulm, die alle vorüber gehend oder für immer ihre neue Heimat in Augsburg gefunden haben. Ach ja, ein paar „echte“Augsburger waren natürlich auch dabei! Multikulti also, schöne Gespräche, guter Wein – nicht auszudenken, wenn ich diesen Abend verpasst hätte! Für mich also auch ein persönlicher Ansporn, den Bedenkenträger in mir in eine ganz entfernte Ecke zu verbannen und den inneren Schweinhund künftig öfter zu überwinden. Eigentlich ein guter Vorsatz für das beginnende Jahr 2018, oder?
Joerg Spoede
arbeitet für einen Münchner Fachverlag und ist als Reiseredakteur weltweit unterwegs. In Augsburg hat er Wurzeln geschlagen. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichten aus dem Familienleben.