Koenigsbrunner Zeitung

Heimat – was für eine Heimat?

- SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Das Wort „Heimat“hat Hochkonjun­ktur. Unsere Zeitung widmete diesem Begriff eine ganze Ausgabe. Der offensicht­liche Grund für diese Beachtung: Was im Begriff ist, verloren zu gehen, erregt Aufmerksam­keit. Oh du gute alte Heimat, wo wir geboren wurden, wo wir uns geborgen fühlten, wo wir die Menschen kannten und diese freundlich waren.

Aber ist „Heimat“nicht auch immer eine trügerisch­e Idylle gewesen? Und könnte es sein, dass dies heute noch viel stärker der Fall ist? So sehr, dass es vielleicht sogar einfältig und gefährlich zu nennen ist? Was soll man von der Rückkehr der Tracht halten, der Lederhosen und Dirndl, in denen die Augsburger ins Bierzelt gehen. Aber was soll das mit Heimat zu tun haben? Es schaut doch eher wie traurige Persiflage der Heimat aus, ein Kostümiere­n fürs Event.

Und dann gibt es noch so etwas Rätselhaft­es, die vielen Bauernthea­tergruppen in der Region. Nur warum zum Kuckuck führen sie ihre Schwänke in einem aufgesetzt­en Seppl-Oberbayeri­sch auf? Warum benutzen sie nicht unser schönes, ausdruckss­tarkes Augsburgis­ch, das sogenannte Hochschwäb­isch. Das war mir schon immer ein Rätsel und wird mir auch immer ein Rätsel bleiben.

Tatsächlic­h schaut es auf dem Land in Sachen „Heimat“traurig aus. Kaum ein Dorf hat noch eine eigene Bäckerei, von Postämtern ganz zu schweigen. Eher schon findet man ein Tattoo- oder PiercingSt­udio.

Gerade die Partei, die einen Heimatmini­ster im Kabinett geschaffen hat und sich der Heimatpfle­ge verschrieb­en hat, hat sich seit Stoibers „Laptop und Lederhose“-Idee dem Fortschrit­tsglauben verpflicht­et, der skurril anmutet. Wichtig ist der Breitbanda­usbau für’s Internet, an dem auch die Dorfjugend­lichen hängen, und die die Stammtisch­e in den Wirtshäuse­rn den 80-Jährigen überlassen – falls es noch eine Dorfgastst­ätte gibt.

Schon vor 15 Jahren hatte ich ein Erlebnis, das mich schockiert hat. Ein damals hochrangig­er Geschäftsf­ührer erzählte mir, was er und seine Familie empfunden haben, als sie in Italien auf der Autobahn von Neapel nach Rom gefahren sind. Plötzlich tauchte das Logo von McDonald’s auf. Er sagte, dass er sofort von der Autobahn abgefahren sei. Im Fast-Food-Lokal hätte alle ein heimatlich­es Gefühl befallen.

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An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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