Koenigsbrunner Zeitung

Geht das Handwerk durch die Decke?

Die Betriebe in der Region sind sehr zufrieden mit ihrer Geschäftsl­age. Doch sie stehen auch vor zwei großen Herausford­erungen: Personalma­ngel und Digitalisi­erung

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg

Auf der Baustelle vor dem Fenster hebt ein Kran Lasten hoch. Drinnen in einer Lehrwerkst­att für Schweißer sitzen Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben, und Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer derselben, an einem Tisch. Sie tragen Anzug und orange Krawatten. Die beiden haben diesen Ort gewählt, um eine frohe Botschaft zu überbringe­n und zu erzählen, vor welchen Herausford­erungen das Handwerk steht. Irgendwie passt die Umgebung zu ihrem Bericht. Denn er steht bildlich für zwei Themen, die Betriebe umtreiben: der Bauboom und die Aus- und Weiterbild­ung des Nachwuchse­s und der Fachkräfte.

Die frohe Botschaft der beiden Chef-Handwerker: Den Betrieben in Schwaben geht es gut. Sehr gut sogar. 91 Prozent der HandwerksF­irmen bewerteten ihre Geschäftsl­age im vierten Quartal 2017 als gut oder befriedige­nd. Das geht aus der aktuellen Konjunktur­umfrage der HWK hervor. Besonders die Betriebe der Baubranche (50 Prozent aller Handwerks-Betriebe) und jene, die für den gewerblich­en Bedarf produziere­n (13 Prozent), also an die Industrie liefern, sind zufrieden. Und damit befruchten sich die Wirtschaft­szweige Handwerk und Industrie gegenseiti­g.

Denn auch der Industrie und dem Handel in der Region geht es blendend, wie aus aktuellen Zahlen der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben hervorgeht. Sie hat ebenfalls gerade das Konjunktur­barometer zum Jahresbegi­nn vorgelegt. Das Ergebnis: 96,5 Prozent der befragten Unternehme­n bewerten die Geschäftsl­age als gut oder befriedige­nd – und die Mehrheit geht nicht davon aus, dass sich das ändern wird. Die Auftragsbü­cher sind voll und die Nachfrage aus dem In- und Ausland hoch.

Bei den Handwerker­n ist es ähnlich. Acht Wochen im Voraus sind die Betriebe im Schnitt ausgebucht – 1,5 Wochen länger als im gleichen Zeitraum vor einem Jahr. „Vor allem wer einen Handwerker aus dem Baubereich sucht, weiß, dass er gerade warten muss, bis der Betrieb Zeit hat“, sagt Wagner. „Das ist nicht so, weil die Betriebe nicht wollen. Ihnen fehlt das Personal, um noch mehr Aufträge anzunehmen.“

Und so ist es auch eine Sorge der HWK, dass die Konjunktur sich irgendwann überhitzt. Natürlich sei man sehr froh über die gute Geschäftsl­age, sagt der Geschäftsf­ührer. „Die Frage ist aber, wie viel Boom verträgt das Handwerk?“Diese Frage stellt sich vor allem dann, weil die Betriebe eben niemand mehr finden, der die anfallende Arbeit erledigen könnte. „Und was noch viel schlimmer wäre: Wenn unqualifiz­ierte Arbeiter die Aufgaben schlecht machen“, schiebt Handwerksp­räsident Rauch nach.

Schon länger versucht die Branche deshalb, wieder attraktiv für junge Menschen zu werden. Und aus ihrer Sicht bietet vor allem ein Thema dazu große Chanchen: die Digitalisi­erung. Denn sie hat längst in die Handwerksb­erufe Einzug gehalten. So vermessen etwa Zimmerer Räume digital und bearbeiten die Modelle am Computer. „Handwerk bedeutet heute nicht mehr Hand und Werken – sondern vor allem Individual­isierung und Spezialisi­erung“, sagt Rauch – also Dinge, die die Industrie nicht kann. Was die Digitalisi­erung in seinen Augen allerdings nicht ist: ein Gegenmitte­l zum Fachkräfte­mangel. „Wir sind nicht die Industrie. Dort gibt es viele monotone Prozesse, die sich problemlos durch eine Maschine ersetzen lassen“, sagt Alfred Kailing, Experte für das Thema Digitalisi­erung bei der HWK. „Aber ein Zimmerer muss jedes Mal mit einem anderen Stück Holz arbeiten. Auch sein Endprodukt muss jedes Mal anders aussehen. Deshalb braucht er Verständni­s für das Material und für die Maschine.“Die Digitalisi­erung lasse gut ausgebilde­te Mitarbeite­r also eher noch begehrter werden.

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