Koenigsbrunner Zeitung

Warum eine Ärztin die Krankenkas­se betrog

Eine Medizineri­n erfand Rechnungen über insgesamt 75000 Euro. Vor Gericht kommen ihr zwei Dinge zugute: Sie zahlte das Geld zurück und sie steckte in einer schwierige­n privaten Situation

- VON KLAUS UTZNI

Durch Abrechnung­sbetrug im Gesundheit­swesen entstehen den Kassen jährlich Schäden in Milliarden­höhe. Die Justiz in Augsburg hat sich schon mehrmals mit der sogenannte­n „Pflegemafi­a“beschäftig­t, die mit fingierten Rechnungen ordentlich abkassiert hat. Nicht immer hat der Betrug aber System. Eine Ärztin, 55, ist jetzt von einem Schöffenge­richt zu einer Bewährungs­strafe von 21 Monaten verurteilt worden, weil sie eine private Krankenkas­se um 75 000 Euro über den Tisch gezogen hat. Ein Fall, bei dem allerdings die schwierige private Situation der Verurteilt­en eine große Rolle gespielt hat.

Die Medizineri­n musste sich intensiv um ihre kranke Tochter kümmern, sie hatte zudem hohe Schulden. Beide waren privat versichert. Zwischen Dezember 2014 und März 2016 fälschte sie auf dem PC insgesamt 27 Einzelrech­nungen für Klinik- und Chefarztbe­handlungen ihrer Tochter, die allerdings nie stattgefun­den hatten, und reichte sie in fünf Chargen bei der privaten Kasse ein. Die zahlte prompt insgesamt 75 439,46 Euro an die Ärztin aus. „Ich war in einer Notlage, habe damit Schulden beglichen“, gestand sie verschämt dem Gericht unter Vorsitz von Rita Greser. Heute, so fügte die Angeklagte hinzu, „ist mir das alles unerklärli­ch, ich kann es nicht nachvollzi­ehen, warum ich das gemacht habe“. Als die Kasse bei einer Kontrolle auf Auffälligk­eiten bei den Rechnungen stieß und bei den betroffene­n Kliniken nachfragte, schaltete sie die Kripo ein.

Die Medizineri­n ergriff die Flucht nach vorne. Bereits im September 2017 hatte sie den Schaden wiedergutg­emacht, alles an die Krankenkas­se zurückbeza­hlt. Dafür hatte sie einen Kredit aufgenomme­n, an dem sie noch heute knabbert.

Staatsanwä­ltin Julia Scholz hatte die Ärztin des fünffachen gewerbsmäß­igen Betrugs und Urkundenfä­lschung angeklagt – ein Strafvorwu­rf, bei dem nicht selten eine Gefängniss­trafe verhängt wird. Obwohl zahlreiche Punkte, die schwierige persönlich­e Situation, Geständnis und Rückzahlun­g, für die Angeklagte sprachen, forderte die Anklägerin eine Haftstrafe von zweieinhal­b Jahren. Verteidige­r Dr. Rudolf Ratzel sagte, die Taten seien nicht zu entschuldi­gen, er bat aber das Gericht, es möge menschlich mit seiner Mandantin umgehen. Der Anwalt hielt eine Bewährungs­strafe für angemessen. Seinem Plädoyer folgte das Schöffenge­richt. Es verhängte eine Strafe von 21 Monaten zur Bewährung plus einer Geldauflag­e von 4000 Euro.

Heute ist der Frau die Tat unerklärli­ch

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