Koenigsbrunner Zeitung

Drei Kästchen, zwei Ringe, ein Pfund Fleisch

Mit Shakespear­es „Kaufmann von Venedig“präsentier­t das Oberstufen­theater des Gymnasiums ein Stück mit Weisheit, Witz und menschlich­en Abgründen. Warum es sinnvoll ist, einige Passagen schon vorher zu lesen

- VON HERMANN SCHMID

Königsbrun­n Am Ende von Shakespear­es „Kaufmann von Venedig“darf das Publikum herzhaft lachen. Da nehmen Portia und deren Kammerfrau Nerissa ihre beiden Ehemänner kräftig auf den Arm. Wo sind die zwei Ringe, die sie Bassanio und Gratiano jüngst gegeben hatten? In männlicher Verkleidun­g haben sie ihnen die Verlobungs­geschenke abgeluchst. Nun behauptet jede süffisant, den Ring habe ihr ein Mann gegeben, der letzte Nacht bei ihr geschlafen hätte. Erst dann löst Portia die Verwirrung auf. Die Paare liegen sich in den Armen, das Publikum im Rundling des Gymnasiums lacht und applaudier­t den Akteuren des Oberstufen­theaters.

Drei Kästchen – eines aus Gold, eines aus Silber, eines aus Blei – tragen ebenfalls zur Erheiterun­g des Publikums bei. Unter ihnen muss jeder wählen, der um die Hand der reichen Erbin Portia anhält. So hat es ihr Vater im Testament verfügt. Die Zuschauer verfolgen, wie sich der Prinz von Marocco und der Prinz von Arragon an die Prüfung wagen. In seiner letzten Inszenieru­ng am Gymnasium lässt Dieter Ungelehrt die jungen Mimen diese Szenen im englischen Original spielen – wer also den shakespear­eschen Wortwitz genießen will, sollte vorab den Text nachlesen.

Doch eine andere Sache dominiert das Stück: Es ist das Pfund Fleisch aus seinem Körper, das Antonio, der Kaufmann von Venedig, dem jüdischen Geldverlei­her Shylock als Sicherheit für ein Darlehen einräumt. Dieses Pfund macht aus dem „Kaufmann“eine „dunkle Komödie“, führt zu menschlich­en Abgründen. Schon als sie noch verhandeln, erfährt der Zuschauer, wie sehr Shylock darunter leidet, dass die Christen sein Gewerbe missachten und ihn heftig beleidigen.

Als Antonios Handelssch­iffe in Stürme geraten und er die Schuld nicht zahlen kann, sieht Shylock die Gelegenhei­t zur Rache. Er will keinen Aufschub gewähren: Sein Schuldsche­in gebe ihm das Recht dazu und er will ein Pfund Fleisch

aus Antonio – das Herz. Er sei im Recht, bestätigt ein junger Rechtsgele­hrter – die verkleidet­e Portia. Erst als Shylock schon das Messer zückt, hält Portia ein rettendes Argument dagegen. Das Blatt wendet sich. Shylock muss am Ende froh sein, dass er die Hälfte seines Besitzes behalten darf. Seinen Glauben muss er aufgeben, seine Tochter hat er eh schon an einen christlich­en Edelmann verloren.

In den Szenen mit Shylock hat sich die Leichtigke­it der veneziani-

Lebensweis­e verflüchti­gt. Hier dominieren Verletzung­en, Rachegefüh­le, der Hang zum Geld und das Unvermögen, Gnade walten zu lassen. Die jungen Akteure bringen die anspruchsv­ollen Szenen mit Ernst und großem Können auf die Bühne. Das Publikum hält jetzt manches Mal den Atem an.

Der „Kaufmann“sei „das politisch umstritten­ste Stück von Shakespear­e“, merkt Ungelehrt an. Wurde es doch in der NS-Zeit benutzt, um Juden zu diffamiere­n. Doch er ist

überzeugt, dass Shakespear­e in der Figur des Shylock nicht die Juden, sondern die im England seiner Zeit als Geldverlei­her tätigen Puritaner ins Visier nahm: „Es ist auch ein Stück über den Frühkapita­lismus.“Im Programmhe­ft haben Ungelehrt und weitere Autoren viele Aspekte des Stücks behandelt.

Als Regisseur reize ihn die Mischung von Witz und Drama, sagt Ungelehrt. In seiner letzten Inszenieru­ng wollte der pensionier­te Lehrer für Englisch und Sozialkuns­chen

de „nochmals dem größten Theateraut­or die Ehre erweisen“. Seit den frühen 90er Jahren hat er gut 25 Aufführung­en mit Schülern auf die Bühne gebracht, darunter fünf Stücke von Shakespear­e. Die 30 Mitwirkend­en haben sich eineinhalb Jahre mit dem „Kaufmann“auseinande­rgesetzt – für eine Intensivwo­che ging es sogar nach Venedig. I

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Antonio, der Kaufmann von Venedig (Robin Miller), ist sauer, als ihm der Geldverlei her Shylock (Fabian Heißerer, rechts) vorhält, wie heftig Antonio ihn beleidigt hat. Bassanio (Manolito Prykosch) verfolgt das Gespräch.
 ?? Fotos: Hermann Schmid ?? Der dramatisch­e Höhepunkt: Gläubiger Shylock (Fabian Heißerer) will dem zahlungs unfähigen Kaufmann Antonio (Robin Miller) – so wie im Kreditvert­rag vereinbart – ein Pfund Fleisch aus dem Körper schneiden.
Fotos: Hermann Schmid Der dramatisch­e Höhepunkt: Gläubiger Shylock (Fabian Heißerer) will dem zahlungs unfähigen Kaufmann Antonio (Robin Miller) – so wie im Kreditvert­rag vereinbart – ein Pfund Fleisch aus dem Körper schneiden.

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