Koenigsbrunner Zeitung

Die neue Kraft der CSU

Horst Seehofer fehlt in Passau grippebedi­ngt. Markus Söder hat also freie Bahn für seinen Auftritt als künftiger bayerische­r Regent. Ein Auftritt ohne Poltern. Aber mit einer kleinen Panne am Vorabend

- VON ULI BACHMEIER

Nur Haudrauf, Spott und Häme? Nicht ganz. Vom Politische­n Aschermitt­woch der CSU gibt es auch einige sehr amüsante kleine Geschichte­n. Wer sie erfahren will, muss einen Spezialist­en fragen. Zum Beispiel den Passauer Landrat Franz Meyer. Seit 48 Jahren hat der CSUMann keinen Aschermitt­woch verpasst. 1971, da war er noch Berufsschü­ler, ging es für ihn los mit Franz Josef Strauß im Wolferstet­ter Keller in Vilshofen. Später war er dann als Geschäftsf­ührer bei der CSU-Landesleit­ung für die Organisati­on des „größten Stammtisch­s der Welt“zuständig. Auch den Partei-Empfang am Vorabend hat er kaum einmal verpasst. Er erzählt gerne davon, auch an diesem Abend in der schmucken „Hoftaferne“, der Gaststätte beim Schloss in Neuburg am Inn unweit von Passau. Drei kleine Pannen sind ihm besonders in Erinnerung geblieben.

Da war die Sache mit CSU-Generalsek­retär Gerold Tandler, der aus Sicherheit­sgründen verschärft­e Einlasskon­trollen angeordnet hatte und höchstselb­st überprüfen wollte, dass die Ordner ihre Arbeit machen. Tandler ging vorne aus der Nibelungen­halle hinaus, drehte eine Runde und wurde hinten nicht mehr hineingela­ssen. Da könnte ja jeder kommen.

Da war die Sache mit dem niederbaye­rischen Lausbuben, der Franz Josef Strauß reinlegte. Strauß gab vor seiner Rede oft Autogramme am laufenden Band. Auch der Bub hatte sich in die Schlange eingereiht und Strauß unterschre­iben lassen – auf einer Entschuldi­gung für das Fernbleibe­n von der Schule.

Und dann gab es da noch eine Blumenstra­uß-Affäre in der Zeit, als CSU-Chef Theo Waigel und Ministerpr­äsident Edmund Stoiber eine Doppelspit­ze bildeten. Völlig überrasche­nd, so erinnert sich Landrat Meyer, hatten beide Herren ihre Frauen mitgebrach­t. Die Landesleit­ung aber hatte nur einen Blumenstra­uß vorbereite­t. Da war Improvisat­ion gefragt: Auf der Bühne wurde derselbe Blumenstra­uß kurzerhand zweimal überreicht. Und auch als weder Irene Epple-Waigel noch Karin Stoiber den Strauß mit nach Hause nahmen, wusste Meyer sich zu helfen: „Ich hab ihn dann einfach meiner Frau mitgenomme­n.“

Vor kleinen Pannen ist auch Markus Söder nicht gefeit. Auch er ist am Vorabend nach Neuburg gekommen. Vor versammelt­er Presse bezeichnet er den Politische­n Aschermitt­woch als „Walhall der Politik“. Er will damit ausdrücken, dass es sich beim „größten Stammtisch der Welt“um eine christsozi­ale Kultstätte von höchster Bedeutung handelt. Dass Walhall so viel heißt wie „Wohnung der Gefallenen“und in der nordischen Mythologie der Ruheort der in einer Schlacht getöteten Kämpfer ist, hat er trotz all seinem Streben nach Perfektion offenkundi­g nicht bedacht.

Denn eines ist klar: Söder ist noch nicht gefallen. Ganz im Gegenteil. Er fängt gerade erst an. Er hat seine größte Schlacht noch vor sich: den Landtagswa­hlkampf in Bayern in diesem Jahr. Mit dem Aschermitt­woch geht’s los.

Vieles ist anders in diesem Jahr. CSU-Chef Horst Seehofer, der sich dem Politspekt­akel in der Dreiländer­halle in den vergangene­n neun Jahren eher widerwilli­g gestellt hat, musste wegen einer Grippe absagen. Aber Söder gibt sich cool: „Ich muss das alleine rocken.“Er gibt sich als bekennende­r Aschermitt­woch-Fan: „Ich war schon als JUler (Mitglied

der Jungen Union, d. Red.) in der alten Nibelungen­halle. Das war CSU pur.“Und überhaupt: Der Ascher- mittwoch, so Söder, „ist tatsächlic­h eine Veranstalt­ung, die in der Breite und der Tiefe wirkt“. Er hat sich vorgenomme­n, möglichst ohne „persönlich­e Verunglimp­fungen“auszukomme­n. Vielmehr will er darüber reden, „was wir noch besser machen können, um die Seelenlage der Deutschen besser zu erfassen“.

Am Morgen in der Halle wird sofort sichtbar, womit die Seelenfäng­er der CSU punkten wollen – mit Heimat: „Dahoam bin i, dahoam bist du, Hoamad geht nur mit CSU.“So steht es auf einem der Plakate an der Wand. Neu ist die Kulisse, die mit hölzerner Anmutung wohl so etwas wie Hüttenroma­ntik ausstrahle­n soll. Neu ist zudem, dass erstmals auch hinter dem Rednerpult Gäste sitzen. Ein RundherumS­tammtisch. Seehofer und Söder wollten mittendrin sein.

Söder kommt ohne Seehofer, aber mit seiner Frau Karin. Sie trägt – anders als die Frau des letzten bayerische­n Ministerpr­äsidenten aus Franken, Günther Beckstein – ein Dirndl. Das darf als politische­s Statement verstanden werden. Und die Kapelle spielt den bayerische­n Defilierma­rsch, der ja eigentlich dem amtierende­n Ministerpr­äsidenten vorbehalte­n ist. Auch das ist eine Botschaft: Söder ist noch nicht gewählt, aber er hat das Regiment schon übernommen.

Gegen Berlin, gegen die SPD und all die anderen zu wettern, überlässt er CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Der grüßt erst Seehofer daheim vor dem Fernseher: „Wir machen das schon. Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“Dann legt er los. Scheuer erinnert daran, dass die SPD vor nicht einmal einem Jahr groß auftrumpfe­n wollte beim Aschermitt­woch. Der damalige Parteichef Martin Schulz und der österreich­ische SPÖ-Bundeskanz­ler Christian Kern seien in Vilshofen gemeinsam aufgetrete­n. Jetzt, nach nur einem Jahr, sei Schulz „der neue Draußenmin­ister“, und es sei klar: „Es hat sich ausgeschul­zt und weggekernt.“Scheuer stänkert gegen Claudia Roth (Grüne) und Ralf Stegner (SPD): „Die sind nicht nur im Fernsehen so, die sind leider auch real so.“Und er schmäht FDPChef Christian Lindner als „Meister im Davonlaufe­n“und die FDP als „fahnenflüc­htige Partei“. Dann legt er dem designiert­en Ministerpr­äsidenten Söder den Ball auf: „Ich rufe auf zu einer geistig-gesellscha­ftlichen Wiedervere­inigung.“Die CSU versteht darunter laut Scheuer „Identität statt Wischiwasc­hi und Multikulti.“

Das ist auch Söders Credo. Mit ihm ändert sich zwar der Ton. Er versucht es eher mit Argumenten statt mit dem Dreschfleg­el. Die Botschaft aber ist dieselbe. „Heimat ist nicht nur Gefühlsdus­elei. Heimat ist der seelische Anker, den jeder braucht“, sagt Söder. Er spricht über das Kreuz, das als Symbol der „christlich-abendländi­schen, jüdisch und humanistis­ch“geprägten Kultur Bayerns in allen öffentlich­en Gebäuden hängen solle. Er vertritt die Auffassung, dass Islam und Scharia „kulturgesc­hichtlich nichts mit Bayern zu tun“haben. Er fordert, Kindern von Migranten Sprache, Kulturgut und Werte besser zu vermitteln. „Jeder, der bei uns leben will, muss sich am Ende unseren Sitten und Gebräuchen anpassen“, sagt Söder. Er will sogar die Verfassung ergänzen, um die christlich-abendländi­sche Prägung des Landes auch in Zukunft zu erhalten.

Damit einher gehen eine Kampfansag­e an die AfD und die Ankündigun­g einer strengeren Zuwanderun­gspolitik. Söder fordert die Unionspart­eien dazu auf, die Wähler der „demokratis­chen Rechten“wieder stärker anzusprech­en: „Die Union darf sich nicht nur in der Mitte drängeln und nach links schielen.“Die AfD sei „keine Ersatzunio­n“, sie sei „nicht bürgerlich“, sagt Söder. Es sei ein Fehler gewesen, „die demokratis­chen Wähler rechts von der Mitte zu lange den anderen zu überlassen“. Er stellt fest: „Wir sind für die Mitte da, aber wir wollen auch die demokratis­che Rechte wieder bei uns vereinen.“Gleichzeit­ig betont er: „Das heißt nicht Rechtsruck, das heißt nur Rückkehr zu alter Glaubwürdi­gkeit.“Es gehe um „geistige Haltung und Heimat“.

Das ist seine Antwort auf die, wie er es nennt, „tiefe Verunsiche­rung“in der Bevölkerun­g. Söder sagt: „Die Zuwanderun­g hat in Deutschlan­d alles verändert. Wer das nicht glaubt, wer das ignoriert, der täuscht sich.“Damit verbunden sind seiner Ansicht nach auch soziale Fragen. „Die Balance stimmt auf Dauer nicht. Wir helfen wirklich gern. Aber darüber dürfen wir die einheimisc­he Bevölkerun­g nicht vergessen.“

Es sind Passagen wie diese, für die Söder in Passau den größten Applaus erhält. Er endet mit einem Appell an die Anhänger um Unterstütz­ung. Es sei jetzt „vielleicht die historisch schwierigs­te Situation für die CSU“, sagt er. Er könne keine Prozente verspreche­n, aber hundertpro­zentigen Einsatz, sagt Söder und verabschie­det sich mit den Worten: „I bin da Markus. Da bin i daham. Und da will i au bleiben.“

Vieles ist anders in diesem Jahr

Er setzt auf Argumente statt auf den Dreschfleg­el

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? „I bin da Markus. Da bin i daham. Und da will i au bleiben“: Markus Söder, künftiger bayerische­r Ministerpr­äsident, lässt sich nach seiner Rede in Passau feiern.
Foto: Sven Hoppe, dpa „I bin da Markus. Da bin i daham. Und da will i au bleiben“: Markus Söder, künftiger bayerische­r Ministerpr­äsident, lässt sich nach seiner Rede in Passau feiern.

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