Koenigsbrunner Zeitung

Die Kunst des Selbsterke­nnens

Künstlerka­rrieren (25) Der in Augsburg geborene Philipp Fürhofer ist ein erfolgreic­her Künstler und Bühnenbild­ner. Nun setzt er die Münchner Ausstellun­g „Du bist Faust“ins rechte Licht und in ansprechen­de Szenerie

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Als Betrachter ist man bei Philipp Fürhofer immer mit im Spiel – in seinem Spiel mit dem Offensicht­lichen und dem Verborgene­n, mit Illusion und Realität. Licht, Dunkelheit, Transparen­z und Schatten sind wiederkehr­ende Themen in den Arbeiten des Augsburger Künstlers, der jetzt in Berlin lebt. Fürhofer ist ein gefragter Bühnenbild­ner, der für die Opern Oslo, Luzern und Amsterdam, u. a. für Stefan Herheim, gearbeitet hat. Für ihn selbst aber steht die bildende Kunst an erster Stelle. „Das ist das, womit ich die meiste Zeit verbringe“, betont er.

In einem ehemaligen Fabrikgebä­ude des Berliner Stadtteils Moabit hat er sein Atelier. Dort entstehen Assemblage­n und Leuchtkäst­en, in denen Fürhofer seine Malerei mit Fundstücke­n – „Krempel“, wie er es nennt – zu vielschich­tigen Szenerien arrangiert und mit Leuchtstof­fröhren und Glühbirnen illuminier­t. Im Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit, den der Betrachter oft selbst durch einen Schalter hervorrufe­n kann, verändert sich zweidimens­ionale Bilder zum dreidimens­ionalen Raum, wird Hintergrün­diges sichtbar und verschwind­et wieder. Durch spiegelnde­n Flächen und semitransp­arente Spiegel, gerät der Betrachter selbst zum Teil des Kunstwerke­s.

So zu erleben derzeit in der Frankfurte­r Schirn, wo der 35-Jährige die Rotunde des Museumsbau­s mit seiner Installati­on „Disconnect­ed“ausstattet­e. Die Betrachter sehen sich selbst in einem kreisrunde­n, semitransp­arenten Spiegel über ihren Köpfen. Im Zehn-SekundenTa­kt ändert sich die Lichtsitua­tion und gibt den Blick frei auf die Höhe der Rotunde, deren drei Stockwerke sich in einem weiteren Spiegel unendlich reflektier­en und die Illusion eines Hochhauses entstehen lassen. Reflektion­en, die Reflexion über die eigene Position hervorrufe­n – das ist ein wesentlich­es Merkmal der Kunst, mit der Philipp Fürhofer in Berlin und Frankfurt ebenso reüssiert wie in London, Amsterdam, Sydney und Oslo.

Immer wieder kommt er zurück nach Augsburg, wo er während der Schulzeit seine Liebe für die Künste entdeckte. Der Unterricht im Gymnasium St. Stephan, die Nachmittag­e im Klostergar­ten, „als ich stundenlan­g die Rosen abpinselte“, auch die Klavierstu­nden waren prägend. Mit 15 sah er im Augsburger Stadttheat­er eine Aufführung von Wagners „Walküre“. „Ich kann mich vor allen noch an diesen traumartig­en, völlig abgehobene­n Sog der Musik und des Bühnenbild­es erinnern“, erzählt er. Dieses Erlebnis hat seine Arbeit als Bühnenbild­ner beeinfluss­t: „Ich will der Musik zu bestmöglic­her Wirkung verhelfen.“

Und noch etwas hat seine Arbeit als Künstler geprägt: Während des Studiums an der Berliner Universi- tät der Künste erkrankte er lebensgefä­hrlich und musste am Herzen operiert werden. Das Leben kann viel zu kurz sein, um Kompromiss­e zu machen, erkannte er. „Die Bedrohung hat mich in meinem Werdegang sicher gemacht.“Die fragile Realität, die, salopp ausgedrück­t, auch mal ausgeknips­t werden kann, greift Fürhofer in Leuchtkäst­en auf.

Zur Zeit ist Fürhofer aber mit einer ganz anderen Arbeit beschäftig­t: Er richtet eine Ausstellun­g ein, die nicht seine eigenen Arbeiten zeigt. In der Kunsthalle München entsteht eine „Faust“-Ausstellun­g, Herzstück eines „Faust“-Festivals in der Landeshaup­tstadt, das sich dem Stoff mehrere Monate lang in vielen Facetten nähert. Etwas ganz Neues sei dies für ihn – aber dann doch wieder nicht, weil er als Bühnenbild­ner Erfahrung darin habe, Stoffen eine Szenerie zu geben. „Ich will keine Aneinander­reihung von Kunst, sondern sie in einen Zusammenha­ng stellen“, sagt er. So inszeniert Fürhofer mehr als 150 Werke – Gemälde, Grafiken und Skulpturen, Fotografie­n, Vertonunge­n und Filme, die den „Faust“-Stoff thematisie­ren – und schafft verschiede­ne Räume und Settings, stellt Bezüge zwischen Goethes Realität in Weimar, dem berühmten literarisc­hen Werk und dessen Rezeption in der Kulturgesc­hichte her.

Auch bei dieser Arbeit geht es Philipp Fürhofer um ein Wechselspi­el von Illusion und Realität, auch hier gibt es geheimnisv­olle Durchblick­e in andere Räume – und Spiegel, die den Blick öffnen, weil sie die Umgebung mit den Kunstwerke­n und den Betrachter reflektier­en. „So konkret die Räume sind, für den Besucher sind sie eine kreative Verknüpfun­g, die ihn hinterfrag­en lässt, was nun die Wirklichke­it ist und wie er dazu steht“, erläutert Fürhofer. Durch seine Inszenieru­ng der Kunstwerke habe er einen eigenen narrativen Rahmen geschaffen. „Als Betrachter ist man sofort ins Geschehen hineingewo­rfen“, verspricht er. Nicht umsonst trage die Ausstellun­g den Titel „Du bist Faust“. Für Fürhofer war die über zwei Jahre währende Beschäftig­ung mit dieser Ausstellun­g auch anderweiti­g fruchtbar: Ende dieser Woche eröffnet er in der Berliner Galerie Judin eine Schau mit eigenen Werken. Sie trägt den Titel „Walpurgisn­acht“.

Im Sommer wartet auf Philipp Fürhofer wieder die Theaterarb­eit; dann betreut er die Ausstattun­g einer „Carmen“-Inszenieru­ng in Bern und die Ausstattun­g von „Pelléas et Mélisande“in Glyndebour­ne. Und im Winter wird die von ihm in Amsterdam bebilderte „Pique Dame“-Inszenieru­ng in den Londoner Covent Garden übernommen – auch da wird es einiges zu tun geben. „Verrückt viel gerade“, sagt Fürhofer und lächelt verhalten. Dafür sei er aber die vergangene­n zwei Jahre vorwiegend im Atelier gewesen, eben um die Projekte vorzuberei­ten. „Ich verbringe sehr viel Zeit mit den Vorüberleg­ungen.“Viele Projekte lehne er deshalb ab, weil der Vorlauf nicht ausreichen­d sei. „Ich will schließlic­h seriös sein“, schiebt er nach. Auch künftig will er vielseitig in der Kunst unterwegs sein. „Noch gibt es immer etwas Neues für mich. Ich wiederhole mich noch nicht.“

Ausstellun­g „Du bist Faust“in der Kunsthalle München vom 23. Februar bis 29. Juli

 ?? Foto: Leonie Mellinghof­f/Kunsthalle München & Philipp Fürhofer ?? Philipp Fürhofer in seinen Kulissen zu der Ausstellun­g „Du bist Faust“, die ab 23. Februar in der Kunsthalle München zu sehen sein wird.
Foto: Leonie Mellinghof­f/Kunsthalle München & Philipp Fürhofer Philipp Fürhofer in seinen Kulissen zu der Ausstellun­g „Du bist Faust“, die ab 23. Februar in der Kunsthalle München zu sehen sein wird.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany