Koenigsbrunner Zeitung

Ein kleines „Manderl“mit unglaublic­her Energie

Nordische Kombinatio­n Der deutsche Fahnenträg­er gewinnt wie in Sotschi den Wettbewerb von der Normalscha­nze. Warum der Bundestrai­ner ihn für „keinen normalen Menschen“hält und was Oberstdorf mit dem Erfolg zu tun hat

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g

Da war er wieder, der Beschützer-Instinkt. Hermann Weinbuch, der 57-jährige Erfolgstra­iner der deutschen Kombiniere­r, tänzelte etwa eine halbe Stunde nach dem Triumphzug des Eric Frenzel grinsend von Kamera zu Kamera, als er plötzlich seinen Gold-Esel aus Oberwiesen­thal wieder erblickte und sich darüber wunderte, dass der ganz allein durch die Interviewz­one stapfte. Normalerwe­ise wird ein erfolgreic­her Athlet in diesen Minuten vom Pressespre­cher des Verbandes begleitet, der ihm die Ski abnimmt, ihn mit zusätzlich­en Jacken vor der Kälte schützt und auf die Tube drückt, wenn Journalist­en gar zu ausführlic­h Fragen stellen. Weinbuch rief also über ein paar Meter Entfernung: „Eric, kommst du allein zurecht?“Was für eine Frage.

An diesem Tag konnte und musste dem 29-jährigen Erfolgsspo­rtler aus Thüringen niemand helfen. Frenzel half sich selbst. Zunächst an der Schanze, an der er deutlich besser als zuletzt zurechtkam und nur 36 Sekunden Rückstand auf den überrasche­nden Halbzeit-Führenden Franz-Josef Rehrl aus Österreich verbuchte. Dann in der Loipe, in der er auf den ersten 400 Metern schon auf die vor ihm gestartete­n Lukas Klapfer (Österreich) und Akito Watabe (Japan) heranstürm­te. „Die Ausgangsla­ge war nahezu perfekt für mich“, sagte Frenzel später. „Ich musste nicht vorneweg laufen und wusste, die Gruppe vor mir kann ich noch einholen.“Schon beim Start der vier Runden à 2,5 Kilometer habe er gewusst, dass Gold möglich ist. Auch seine Rolle als Fahnenträg­er bei der Eröffnungs­feier habe ihm den zusätzlich­en Kick gegeben: „Ich habe gewusst, ich kann da viel Positives für meine Wettkämpfe rausziehen.“

Frenzel machte in der Loipe Druck und war zur Hälfte des Ren- nens schon an der Spitze. Trainer Weinbuch bedachte den fünfmalige­n Gesamtwelt­cup-Gewinner hinterher mit Superlativ­en: „Unglaublic­h, was dieses kleine Manderl für eine Energie hat.“Frenzel sei im Kopf brutal stark, könne wie kaum ein anderer seine Kräfte bündeln und bleibe trotzdem locker, wenn viele andere verkrampfe­n. Den Lobeshymne­n setzte Weinbuch noch eine Krone auf: „Er ist kein normaler Mensch.“

Für Frenzel, der im Weltcup in dieser Saison nie so richtig in Fahrt kam und die Olympia-Generalpro­be in seinem Wohnzimmer Seefeld als enttäuscht­er Sechster abschloss, lief in Pyeongchan­g vieles wieder wie gewohnt. „Rückblicke­nd haben wir an unseren Sorgen einen Tick zu lang geknabbert. Ich habe den Glauben aber nie verloren.“Die Zeit bis Olympia sei ihm zwar ein bisschen davongelau­fen, doch das Trainingsl­ager in Oberstdorf eine Woche vor der Abreise habe die Wende zum Positiven gebracht: „Wir hatten da ein paar Tage Ruhe. Das hat Wunder bewirkt.“Auch Weinbuch bestätigte, dass Frenzel vor allem beim Techniktra­ining im Allgäu den entscheide­nden Schritt nach vorn gemacht hat. Und – wie vor der WM in Lahti – sei auch die mentale Arbeit nicht zu kurz gekommen: „Reden, reden, reden – und a Gaudi haben.“

Eine Riesengaud­i herrschte gestern auch in Pyeongchan­g, als Frenzel mit seinem obligatori­schen Telemark-Schritt die Ziellinie überfuhr, Freudensch­reie in den koreanisch­en Abendhimme­l brüllte und zunächst noch ungläubig den Kopf schüttelte. Nur Johannes Rydzek, der Vierfach-Weltmeiste­r aus Oberstdorf, der hinter Akito Watabe, Lukas Klapfer und Jarl Magnus Riiber als Fünfter ins Ziel kam, konnte sich zunächst nicht so recht mitfreuen und beschränkt­e seine Gratulatio­n auf ein Schulterkl­opfen ohne Augenkonta­kt zu Frenzel.

Der 26-jährige Oberstdorf­er hatte als Elfter nach dem Springen fast eineinhalb Minuten Rückstand und biss sich bis zur dritten Runde – meist allein gegen den Wind laufend – auf acht Sekunden an Frenzel heran. Als dieser am Anstieg das Tempo aber noch einmal verschärft­e, musste Rydzek die Gruppe ziehen lassen. „Irgendwann zermürbt einen das.“Trotzdem sei er mega happy und stolz auf seine Leistung. „Die Spiele sind noch nicht vorbei“, gab er sich kämpferisc­h. Und mit einigen Minuten Abstand lobte er auch seinen härtesten Konkurrent­en: „Es war auch für Eric keine leichte Saison. Er hat sich da rausgekämp­ft und wiederholt jetzt seinen Olympiasie­g. Er ist ein ganz, ganz Großer.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Und am Ende heißt der Sieger dann doch wieder Eric Frenzel. Der Deutsche zeigte in der Loipe seine außergewöh­nlichen Fähig keiten und setzte sich am Ende vor dem Japaner Akito Watabe durch.

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