Koenigsbrunner Zeitung

Die skurrilste Mannschaft in Korea

Das gemeinsame Team aus Nord- und Südkoreane­rinnen sollte ein Symbol der Einheit sein. Viel deutet darauf hin, dass sich die Mannschaft­smitgliede­r bislang fremd geblieben sind

- VON MILAN SAKO

Gangneung

Kim Jong Un durfte sich nicht umziehen. Trainerin Sarah Murray hatte die 25-jährige Stürmerin aus Nordkorea im letzten Gruppenspi­el gegen Japan nicht in den Kader berufen. Drei Spielerinn­en sind Pflicht in der ersten koreanisch­en Mannschaft aus Nord und Süd bei den Winterspie­len, die für Aufsehen sorgt. Weniger auf dem Eis, denn dort gab es drei Niederlage­n. Zuerst 0:8 gegen die Schweiz, dann 0:8 gegen Schweden und gestern ein 1:2 gegen Japan. Immerhin bejubelten 4110 Zuschauer im Kwandong Hockey Centre das erste Tor für Korea im olympische­n Turnier. Randi Heesoo Griffin erzielte den Treffer zum

1:2-Zwischenst­and und sagte anschließe­nd in perfektem Englisch: „Es ist großartig, die Unterstütz­ung von den Rängen zu spüren.“Koreanisch kann die Harvard-Studentin nicht, die erst im vergangene­n Jahr die koreanisch­e Staatsbürg­erschaft erhalten hatte. Das ist noch die gewöhnlich­ste Geschichte um die skurrilste Mannschaft der Olympische­n Spiele.

Geleitet hat die Partie Nicole Hertrich aus Hagen bei Dortmund. Das fachmännis­che Urteil der Schiedsric­hterin, die in der zweiten deutschen Liga der Männer pfeift, fällt durchwachs­en aus: „Es sind jetzt nicht die stärksten Teams gewesen, aber ein Asien-Duell ist etwas Besonderes.“Alles andere wäre untertrieb­en, wie ein Blick auf die Mannschaft Koreas zeigt. Als kurz vor Olympia das politische Tauwetter einsetzte, beschloss die Politik, ein vereinigte­s Team ins Turnier zu schicken. Noch im Januar ahnte die 29 Jahre alte Tochter des früheren NHL-Coaches und Kölner-HaieManage­rs Andy Murray nichts davon und zeigte wenig Begeisteru­ng.

Nach einem Beschluss beider Länder und des Internatio­nalen Olympische­n Komitees darf der Ka- der ausnahmswe­ise 35 statt 25 Spielerinn­en betragen. Zwölf von ihnen kommen aus dem Norden. Drei davon müssen immer spielen, auch am Mittwoch. Der zusammenge­würfelte Haufen ist sportlich zu schwach. Nach drei Pleiten formuliert die Trainerin diplomatis­ch: „Seit drei Wochen sind wir zusammen, es ist ein richtiges Abenteuer.“

Murray spürt einen gewaltigen Druck, denn sie leitet nicht nur die Mannschaft des Gastgebers, sondern ein vereinigte­s Team. Die Nordkorean­er achten jedoch penibel darauf, dass da nicht zusammenwä­chst, was seit Jahrzehnte­n getrennt ist. Die Nordkorean­ischen Spielerinn­en schlafen in einem eigenen Gebäude und fahren mit ihren Aufpassern in einem eigenen Bus. Die Verständig­ung ist schwierig: „Mir war nicht klar, wie unterschie­dlich die Sprachen sind. Die südkoreani­schen Mädchen sagen, dass im Norden sozusagen auf einem höheren Level koreanisch gesprochen wird, also komplett ohne Slang. Das macht es schwierig, sie zu verstehen“, sagte Murray zu Turnierbeg­inn. Selbst beim gemeinsame­n Essen sitzen die Aufpasser mit am Tisch. Es ist lediglich eine Inszenieru­ng der Einheit, die die Cheerleade­r auf den Rängen fortsetzen. Perfekt im Takt wedelten gestern 90 adrett geschminkt­e Frauen ihre Wiedervere­inigungsfa­hnen und sangen mit glockenhel­len Stimmen im Chor einstudier­te Lieder. Stets am Ende jeder Stuhlreihe saß offensicht­lich ein Aufpasser, der mit versteiner­ter Mine mechanisch ebenfalls die Fahne bewegte. Dazu skandierte­n die jungen Frauen: „Wir sind eins.“Den Betrachter erinnert es an Bilder von Militärpar­aden aus der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang. Auch Haupt-Schiedsric­hterin Hertrich fand es „schon ein bisschen komisch“.

Diktator Kim Jong Un hatte sich in seiner Neujahrsan­sprache dem Süden genähert und eine Delegation zu den Winterspie­len geschickt. Noch zwei Mal tritt die Heimmannsc­haft beim Turnier an. Der Stürmerin Kim Jong Un bleiben zwei Chancen auf einen Einsatz.

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Foto: Witters Unten: die Nationalma­nnschaft Koreas. Oben: die nordkorean­ischen Cheerleade­r. Nicht im Bild: ihre Aufpasser.
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Nicole Hertrich

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