Koenigsbrunner Zeitung

Das Telefonbuc­h steht vor dem Aus

- VON SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Die Nachricht hat mich richtig bewegt. Im Radio hörte ich die Meldung, dass das Telefonbuc­h in den Niederland­en seine letzte Auflage erlebt hat. Es sei nicht mehr zeitgemäß, wurde gesagt, da inzwischen 100 Prozent der Niederländ­er Zugang zum Internet haben. Und bei uns, sind es da 99 Prozent? Gehöre ich tatsächlic­h zu dem letzten Prozent, das beim Ermitteln einer Telefonnum­mer auf das Telefonbuc­h angewiesen ist? Werde ich den Preis dafür bezahlen, dass ich so wenig „technikaff­in“bin?

Kurz nachdem ich diese Zeilen schrieb, las ich in der Zeitung, dass künftig Feuer und Naturkatas­trophen (zukünftig auch der Weltunterg­ang?) nicht mehr durch Sirenen, sondern mithilfe einer App über das Smartphone bekannt gegeben werden. Muss ich mir auf meine alten Tage doch noch ein Smartphone zulegen?

Bald wird es wohl auch bei uns nicht mehr möglich sein, die Telefonnum­mer eines Zahnarztes im Telefonbuc­h ausfindig zu machen. Die neue Entwicklun­g sehe ich auch bei „meiner“Post im Supermarkt. Da liegt ein mannshoher Stapel von druckfrisc­hen Telefonbüc­hern seit vielen Monaten herum. Vor Jahren waren die Bücher noch im Nu weg.

Was für Vorzüge das gute alte Telefonbuc­h doch hatte, es war ja noch in anderer Hinsicht praktisch. Zwei dicke Telefonbüc­her aufeinande­rgelegt gaben der Schreibtis­chlampe die richtige Höhe. Im Herbst konnte man mit dem Telefonbuc­h lästige Stubenflie­gen jagen. Und ich konnte meine Briefe nach dem Zukleben noch im Telefonbuc­h trocknen. Früher presste ich sogar Blumen im Telefonbuc­h. Na ja, aus dieser Phase bin ich raus.

Die Telefonzel­len sind schon weitgehend abgebaut und ich frage mich, was kommt als Nächstes? Dass ein Arztbesuch nurmehr via Skype möglich ist? Und wie lange gibt es noch Bücher aus Papier? Wird es eines Tages nurmehr E-Books geben? Aber mit einem elektronis­chen Buch kann man z. B. nicht den Liegestuhl am Swimmingpo­ol reserviere­n – und Eselsohren kann man auch nicht anbringen.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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