Telefonische Hilfe in kritischen Zeiten
Bei extremen Ereignissen wie dem Bombenfund kann es schwer sein, einen kühlen Kopf zu bewahren. In der Stadt soll es nun bei Ausnahmesituationen eine eigene Anlaufstelle geben
Das Herz klopft, der Atem geht schneller und das Adrenalin jagt durch den Körper. In Krisensituationen geraten Körper und Psyche oftmals außer Kontrolle. In Extremsituationen sind viele Menschen verunsichert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen.
Die ökonomische Telefonseelsorge Augsburg bietet nun in Kooperation mit der Feuerwehr-Leitstelle und dem Katastrophenschutz der Stadt eine Krisen-Hotline an. Diese soll den Bürgern als kompetente Anlaufstelle bei Unfällen, Anschlägen und Katastrophen dienen. Nach München ist Augsburg die zweite bayerische Stadt, die neben der Telefonseelsorge auch ein spezielles Krisentelefon für Ausnahmesituationen eingerichtet hat. Bei außergewöhnlichen Ereignissen oder Katastrophen soll von nun an die Hotline über eine eigene Rufnummer 24 Stunden am Tag erreichbar sein. Diese soll erst bekannt gegeben werden, falls es zu einem solchen Ereignis kommt. „Ob Amoklauf oder Bombenfund, das Krisentelefon ist ein kleiner, aber sinnvoller Zusatz zur Versorgung von Betroffenen vor Ort“, sagt Franz Schütz, Diakon und Leiter der Telefonseelsorge Augsburg.
In München wurde das erste Krisentelefon nach dem Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum in 2016 eingerichtet. Frank Habermaier, Chef der Augsburger Berufsfeuerwehr, sagt: „Innerhalb weniger Minuten sind über 4000 Notrufe bei den Kollegen in München eingegangen.“Die eingerichtete Hotline konnte dabei mehr als 500 Gespräche führen, beruhigen und mit der Suche von Vermissten helfen, sagt er. Den letzten Großfall in Augsburg, bei der eine Hotline hätte helfen können, hat Habermaier noch gut in Erinnerung. Der Bombenfund und die damit verbundene Evakuierung Ende 2016 sei eine heikle Situation gewesen. Er sagt: „Gerade bei länger andauernden Katastrophen in dieser Dimension machen sich die Leute große Sorgen und wissen nicht, was passiert.“Die Leitstelle der Feuerwehr oder die Polizei seien in einer solchen Situation meist der falsche Ansprechpartner. Mit der neuen Hotline erhielten Betroffene direkte und kompetente Hilfe, sagt Michaela Grimminger. Die Mitarbeiterin der Telefonseelsorge erklärt: „Die knapp 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge sind ausführlich geschult worden und wissen, wie man mit solchen Situationen am Telefon umzugehen hat.“Die Testphase des Projekts habe gezeigt, dass Gespräche selten länger als fünf Minuten gebraucht hätten, um den Betroffenen Sicherheit zu geben, sagt sie.
Beim Fund der Fliegerbombe kurz vor Weihnachten konnte das Bürgertelefon die zahlreichen Anfragen von Betroffenen kaum bewältigen, sagt Schütz. „Viele Menschen hatten große Angst, besonders Patienten auf der Depressionsstation im Klinikum“, sagt der Diakon. Auch für ältere Menschen sei der Bombenfund in der Jakoberstraße ein einschneidendes Erlebnis gewesen, sagt er. „Oftmal sind es traumatische Kriegserinnerungen, die plötzlich wieder präsent sind.“
Deshalb spiele auch die Nachsorge eine ganz wichtige Rolle, sagt Michaela Grimminger. Sie berichtet, dass die sechs Telefone der KrisenHotline nach einer Krisensituation über mehrere Tage weiter betrieben werden sollen, bis die Anruferzahl abnimmt. „Auch wenn ich mir keine Katastrophen wünsche, ist es gut, für einen solchen Fall ausreichend vorbereitet zu sein“, sagt Schütz.
In München hat man gute Erfahrungen damit gemacht