Koenigsbrunner Zeitung

Nahverkehr: Augsburg muss umsteuern

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

In Augsburg und 70 anderen Städten Deutschlan­ds überschrei­tet die Stickoxidk­onzentrati­on im Jahresmitt­el die Grenzwerte. Ob das tatsächlic­h die Gesundheit schädigt, darüber streiten die Gelehrten. In jedem Fall muss die Politik Konzepte erarbeiten, um die Luftqualit­ät in den Städten zu verbessern. Denn Fahrverbot­e will kaum jemand.

Deshalb ist die Idee eines kostenlose­n Nahverkehr­s in Städten entstanden, die die Bundesregi­erung jetzt ins Spiel gebracht hat. Aus diesem Grund hat auch Tübingens Bürgermeis­ter Boris Palmer (Grüne) ein Konzept für die Busnutzung zum Nulltarif in der Schublade, das er seinen Bürgern 2019 zur Abstimmung vorlegen möchte. Ziel ist es, die Städter zum Verzicht auf das eigene Auto zu motivieren.

Und in Augsburg? Da hat der Verkehrsve­rbund AVV zum Jahresbegi­nn eine Tarifrefor­m umgesetzt, die viele Gelegenhei­tsnutzer mit erhöhten Preisen abschreckt. Manchmal ist sogar Taxifahren mit der Familie günstiger als der Einstieg in die Straßenbah­n.

In den Leserbrief­spalten unserer Zeitung haben viele Tram- und Busfahrgäs­te angekündig­t, nun wieder vermehrt das eigene Auto zu

Diese Reform wirkt wie eine verkehrspo­litische Geisterfah­rt

nutzen. Diese Reform, die der Stadtrat mit den Stimmen von CSU und Grünen – aber gegen das Votum des Partners SPD – durchwinkt­e, ist ohnehin misslungen und wird bereits überprüft. Aber im Licht der neuen Ideen und Konzepte wirkt der Augsburger Weg wie eine verkehrspo­litische Geisterfah­rt.

Die Stadtregie­rung täte gut daran, nun ein Gesamtkonz­ept gegen den wachsenden Autoverkeh­r zu entwickeln. Dazu gehört eine erneute Reform der AVV-Tarife, die Tram- und Busfahrten für Gelegenhei­tsfahrer wieder günstiger macht. Auch die Förderung von Carsharing und die Eindämmung des Parkplatzs­uchverkehr­s wären Schritte in die richtige Richtung.

Über ein neues Parkhaus könnte nachgedach­t werden – ebenso wie über ein verbessert­es Parkleitsy­stem. Wer an einkaufsst­arken Samstagen erlebt, wie viele Autos sich mit laufendem Motor vor der Garage am Ernst-Reuter-Platz stauen, der wünscht sich angesichts des Gestanks eine Atemschutz­maske.

Am Ende braucht es ein machbares Konzept mit einer durchdacht­en Gegenfinan­zierung. Und sei es aus Steuermitt­eln. Ein Nahverkehr zum Nulltarif wäre aus Sicht der Luftqualit­ät zwar großartig. Doch wird das weder in Augsburg noch bundesweit umsetzbar sein. Es ist schlicht zu teuer. Alleine die 90 000-Einwohner-Stadt Tübingen müsste für die Freifahrte­n jährlich mehr als 15 Millionen Euro aufbringen – in Augsburg wäre das mehr als dreimal so viel.

Aber die Richtung stimmt: günstiger, einfacher, besser. Es wird Zeit, dass die Umweltstad­t Augsburg auf diesen Nahverkehr­s-Zug aufspringt, statt mit der AVV-Reform in die falsche Richtung zu steuern.

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