Koenigsbrunner Zeitung

Gratis Nahverkehr würde 48 Millionen Euro kosten

Diese Summe nehmen die Stadtwerke aus dem Ticketverk­auf ein. Auf den Steuerzahl­er kämen aber wohl weit höhere Kosten zu. Was Stadtwerke, OB Gribl und der Fahrgastve­rband „Pro Bahn“vom Vorstoß des Bundes halten

- VON STEFAN KROG

Die Einführung eines kostenlose­n Nahverkehr­s, wie ihn die Bundesregi­erung in Gedankensp­ielen angestoßen hat, würde allein in Augsburg mit 48 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen. Die Stadtwerke nehmen diese Summe jährlich aus dem Verkauf von Fahrkarten ein – diese Summe müsste dann anders finanziert werden. Im gesamten Großraum Augsburg (Gebiet des Verkehrsve­rbunds AVV) kommt jährlich gar eine Summe von gut 70 Millionen Euro zusammen, die irgendwie ausgeglich­en werden müsste.

Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU), der auch Vorsitzend­er des Bayerische­n Städtetags ist, verwies gestern darauf, dass die Finanzieru­ng ein entscheide­nder Punkt wäre. „Die Kommunen können gegen einen solchen Ansatz nichts haben, solange die Finanzieru­ng dann auch aus Bundesmitt­eln bestritten wird – und zwar dauerhaft.“Mit den kommunalen Spitzenver­bänden sei der Vorstoß seines Wissens noch nicht erörtert worden, so Gribl, der sich momentan im Urlaub befindet.

Bei den Augsburger Stadtwerke­n sieht man die Thematik differenzi­ert. Es sei erfreulich, dass das Thema Nahverkehr­s-Finanzieru­ng durch die Diskussion in den Blickpunkt rücke, so Sprecher Jürgen Fergg. Die Stadtwerke waren zuletzt wegen der seit 1. Januar geltenden Tarifrefor­m in die Kritik geraten. Ein Teil der Gelegenhei­tsfahrgäst­e zahlt jetzt doppelt so viel wie vorher, das 9-Uhr-Abo wurde dafür günstiger. Eine politische Vorgabe war, dass die Tarifrefor­m die Defizite nicht vergrößern dürfe. Es müsse klar sein, dass die Verkehrsun­ternehmen einen Gratis-Verkehr aus eigenen Mitteln nicht stemmen könnten, so Fergg.

In Augsburg, wo die Stadtwerke jährlich rund 60 Millionen Fahrgäste transporti­eren, kostet der Betrieb von Bussen und Straßenbah­nen um die 100 Millionen Euro pro Jahr. 48 Millionen Euro kommen durch Ticketverk­äufe wieder herein, weitere Millionen Euro durch staatliche Erstattung­en für die Beförderun­g von Schülern und Schwerbehi­nderten sowie durch Werbung auf den Fahrzeugen. Um die übrigen 40 Millionen Euro, die für ein ausgeglich­enes Ergebnis nötig sind, zusammenzu­bekommen, ist die ertragreic­he Stadtwerke-Energiespa­rte nötig. Deren Gewinne können steuerlich mit den Verlusten des Nahverkehr­s gegengerec­hnet werden. Diese Rechnung geht seit Jahren auf – aus dem städtische­n Haushalt muss für den Betrieb von Bus und Tram nichts zugeschoss­en werden.

Doch für den Fall eines GratisNahv­erkehrs würde die bisherige Kalkulatio­n nicht mehr stimmen. Denn eine höhere Nachfrage, die ja auch Sinn der ganzen Aktion wäre, würde besonders in den Hauptverke­hrszeiten für höhere Betriebsko­sten sorgen. In der Morgenspit­ze, wenn Schüler und Berufstäti­ge gleichzeit­ig unterwegs sind, sind Busse und Bahnen jetzt schon knallvoll – also müssten zusätzlich­e Kapazitäte­n her.

„Wenn man den Schritt zu einem Gratis-ÖPNV gehen wollen würde, müsste man vorher die Voraussetz­ungen schaffen: neue Linien, mehr Fahrzeuge und das dafür nötige Personal. Das kostet alles Geld, das zu den momentanen Kosten dazukommt“, so Fergg. Der Idee, die Nahverkehr­sfinanzier­ung anders aufzustell­en, verschließ­e man sich aber keineswegs. Eine Umsetzung in kleineren Schritten sei eine Idee. „Das 30-Euro-Abo kann man rund um die Uhr anbieten statt nur ab 9 Uhr – wenn es eine Gegenfinan­zierung gibt.“Billig wäre aber auch diese Beinahe-Gratis-Form des Nahverkehr­s (ein Euro Kosten pro Tag) nicht. Fürs ganze AVV-Gebiet gäbe es Einnahmenv­erluste von 20 Millionen Euro jährlich, rechnete ein Gutachter im Kreistag von Aichach-Friedberg im vergangene­n Herbst vor, wo die dortigen Grünen einen entspreche­nden Antrag gestellt hatten.

Auch Winfried Karg, Sprecher von Pro Bahn in Augsburg, sieht das Thema Gratis-Nahverkehr diffezehn renziert. „Die Idee mit dem GratisNahv­erkehr hört sich erst mal gut an. Aber das Motto ,Einfach nur billig‘ hat einen Haken, wenn die Kapazitäte­n oder die Qualität nicht stimmen.“Für die Entscheidu­ng von Bürgern, den öffentlich­en Nahverkehr zu nutzen, sei nicht allein der Preis entscheide­nd, gibt er zu bedenken. Augsburg habe für eine Stadt seiner Größe unter anderem mit dem Fünf-Minuten-Takt einen recht guten Nahverkehr. Momentan sprudelten die öffentlich­en Einnahmen, aber im Falle eines Konjunktur­einbruchs werde bei einer steuerbasi­erten Finanzieru­ng wohl massiv am Angebot gekürzt, so Kargs Befürchtun­g. Unabhängig davon müsse man bei einem Gratis-Angebot zusehen, ein Verkehrsko­nzept aus einem Guss zu bekommen. Wenn man Autofahrer zum Umsteigen motivieren wolle, müsse man neben einer Attraktivi­erung des Nahverkehr­s darüber nachdenken, das Autofahren durch Parkplatz-Verknappun­g oder Steuern unattrakti­ver zu machen, so Karg. »Kommentar

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