Immer weniger Respekt vor der Uniform
Kaum Zwischenfälle bei den Umzügen, dafür ein Großeinsatz in Gersthofen. Sinkt die Hemmschwelle durch zu viel Alkohol?
Gersthofen/Zusmarshausen
Es sind Szenen wie aus einem Film: Junge Erwachsene legen sich mit Polizisten an, pöbeln und attackieren sogar einen Beamten. Die Polizei versucht, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, und muss Verstärkung anfordern, damit die Situation nicht eskaliert. Insgesamt elf Streifen rücken Samstagnacht an, um das Geschehen außerhalb des Gersthofer Sportlerballs unter Kontrolle zu bringen. Während drinnen friedlich gefeiert wird, zeigt sich draußen: Mit dem übermäßigen Alkoholkonsum kennen viele ihre Grenzen nicht mehr und verlieren den Respekt vor der Uniform. Ein Problem, das immer mehr zunimmt. „Das ist ein Phänomen der Zeit“, sagt Siegfried Hartmann vom Polizeipräsidium Schwaben Nord. Er vergleicht mit früher: „Wer verbotenerweise auf dem Gepäckträger eines Rads saß und vom Polizisten im Käfer ermahnt wurde, stieg mit einem hochroten Kopf sofort ab und traute sich nicht mehr aufzusteigen. Damals reichte schon ein Zeigefinger.“
Heute muss es offenbar ein Großaufgebot wie in Gersthofen sein, um mit der Anwesenheit einen starken Eindruck zu machen. Hartmann allgemein: „Der ein oder andere hat offensichtlich Nachholbedarf, was gewisse Werte oder auch Respekt angeht.“Viele wüssten auch nicht mehr, was Recht und Unrecht ist, sagt der Chef der Gersthofer Polizei, Markus Schwarz. Dazu kommt dann noch der Alkohol: „Leider ist die Hemmschwelle dann tief. Oder gar nicht mehr vorhanden“, sagt Hartmann zu den Folgen.
Sonja Kahl, die Dritte Präsidentin des TSV Gersthofen, bestätigt: „Der Respekt gegenüber dem Ordnungsdienst oder den Polizeibeamten hat in den vergangenen Jahren sehr stark abgenommen. Die Rowdys sind aber nicht mehr geworden.“Erfahrungsgemäß gebe es „immer einen oder zwei, die sich nicht mehr im Griff haben“. Kahl: „Leider gibt es immer wieder ein paar Außenseiter, bei denen nicht die Freude am Feiern, sondern das Provozieren im Vordergrund steht.“
Wie in den vergangenen Jahren hatte der TSV zwei professionelle Sicherheitsdienstmitarbeiter und stellte dazu vier Ordner aus eigenen Reihen ab. „Dies geschieht immer in Absprache mit dem Gersthofer Ordnungsamt“, betont die Präsidentin. Pro 100 erwarteter Besucher müsse ein Profi eingesetzt werden.
Der „klassische“Gersthofer TSV-Sportlerball hatte in den vergangenen Jahren immer mehr mit sinkenden Besucherzahlen zu kämpfen. Um entgegenzusteuern, ließ sich das Organisationsteam etwas einfallen – das gesamte Konzept wurde umgestellt. Eine neue Bar, eine Tanzfläche aus beleuchteten Traversen, und ein DJ, dazu Showeinlagen mit „Forever Flair“und „Lechana“, welche die Party abrunden sollten. „Das Konzept ist voll aufgegangen“, sagt Sonja Kahl. Etwa 350 Gäste feierten ausgelassen in der Sporthalle. Junge und jung gebliebene Partyfreunde hätten bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen und fröhlich getanzt.
Die Störenfriede – die Polizei geht von mittlerweile drei aus – seien vor die Tür gesetzt worden. Offenbar hatten sie auch Mitglieder der Lechana-Garde angegangen. „Dass es draußen zu weiteren Pöbeleien und sogar zur Auseinandersetzung mit der Polizei kam, davon bekam die gut gelaunte Gesellschaft drinnen nichts mehr mit“, erinnert sich Kahl.
Schätzungsweise mehr als 50000 Menschen waren in den vergangenen Tagen bei den großen Umzügen im Augsburger Land auf den Beinen. Angesichts der wenigen Zwischenfälle – in Deubach gab es am Ende der Party-Meile ein Gerangel mit zwei Leichtverletzten, in Zusmarshausen eine Kopfverletzung und im Dienstbereich der Polizei Gersthofen eine blutige Nase bei einer Feier in Gablingen – zieht Raimund Pauli, der Leiter der Polizei in Zusmarshausen, ein positives Fazit. „Es war insgesamt friedlich.“
Kritisch merkt er an, dass es heuer viele alkoholbedingte Ausfälle gegeben hat. Wie nach dem Zusmarshauser Faschingsumzug mussten auch am Dienstag in Deubach viele betrunkene Männer und Frauen im Sanitätszelt ambulant behandelt werden. Einige davon wurden auch vorsorglich ins Klinikum Augsburg transportiert. Es könnten sogar noch mehr Ausfälle gewesen sein – Pauli verweist auf die Dunkelziffer derjenigen, die sich nicht behandeln ließen.