Koenigsbrunner Zeitung

Immer weniger Respekt vor der Uniform

Kaum Zwischenfä­lle bei den Umzügen, dafür ein Großeinsat­z in Gersthofen. Sinkt die Hemmschwel­le durch zu viel Alkohol?

- VON MAXIMILIAN CZYSZ UND GERALD LINDNER

Gersthofen/Zusmarshau­sen

Es sind Szenen wie aus einem Film: Junge Erwachsene legen sich mit Polizisten an, pöbeln und attackiere­n sogar einen Beamten. Die Polizei versucht, die aufgeheizt­e Stimmung zu beruhigen, und muss Verstärkun­g anfordern, damit die Situation nicht eskaliert. Insgesamt elf Streifen rücken Samstagnac­ht an, um das Geschehen außerhalb des Gersthofer Sportlerba­lls unter Kontrolle zu bringen. Während drinnen friedlich gefeiert wird, zeigt sich draußen: Mit dem übermäßige­n Alkoholkon­sum kennen viele ihre Grenzen nicht mehr und verlieren den Respekt vor der Uniform. Ein Problem, das immer mehr zunimmt. „Das ist ein Phänomen der Zeit“, sagt Siegfried Hartmann vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord. Er vergleicht mit früher: „Wer verbotener­weise auf dem Gepäckträg­er eines Rads saß und vom Polizisten im Käfer ermahnt wurde, stieg mit einem hochroten Kopf sofort ab und traute sich nicht mehr aufzusteig­en. Damals reichte schon ein Zeigefinge­r.“

Heute muss es offenbar ein Großaufgeb­ot wie in Gersthofen sein, um mit der Anwesenhei­t einen starken Eindruck zu machen. Hartmann allgemein: „Der ein oder andere hat offensicht­lich Nachholbed­arf, was gewisse Werte oder auch Respekt angeht.“Viele wüssten auch nicht mehr, was Recht und Unrecht ist, sagt der Chef der Gersthofer Polizei, Markus Schwarz. Dazu kommt dann noch der Alkohol: „Leider ist die Hemmschwel­le dann tief. Oder gar nicht mehr vorhanden“, sagt Hartmann zu den Folgen.

Sonja Kahl, die Dritte Präsidenti­n des TSV Gersthofen, bestätigt: „Der Respekt gegenüber dem Ordnungsdi­enst oder den Polizeibea­mten hat in den vergangene­n Jahren sehr stark abgenommen. Die Rowdys sind aber nicht mehr geworden.“Erfahrungs­gemäß gebe es „immer einen oder zwei, die sich nicht mehr im Griff haben“. Kahl: „Leider gibt es immer wieder ein paar Außenseite­r, bei denen nicht die Freude am Feiern, sondern das Provoziere­n im Vordergrun­d steht.“

Wie in den vergangene­n Jahren hatte der TSV zwei profession­elle Sicherheit­sdienstmit­arbeiter und stellte dazu vier Ordner aus eigenen Reihen ab. „Dies geschieht immer in Absprache mit dem Gersthofer Ordnungsam­t“, betont die Präsidenti­n. Pro 100 erwarteter Besucher müsse ein Profi eingesetzt werden.

Der „klassische“Gersthofer TSV-Sportlerba­ll hatte in den vergangene­n Jahren immer mehr mit sinkenden Besucherza­hlen zu kämpfen. Um entgegenzu­steuern, ließ sich das Organisati­onsteam etwas einfallen – das gesamte Konzept wurde umgestellt. Eine neue Bar, eine Tanzfläche aus beleuchtet­en Traversen, und ein DJ, dazu Showeinlag­en mit „Forever Flair“und „Lechana“, welche die Party abrunden sollten. „Das Konzept ist voll aufgegange­n“, sagt Sonja Kahl. Etwa 350 Gäste feierten ausgelasse­n in der Sporthalle. Junge und jung gebliebene Partyfreun­de hätten bis in die frühen Morgenstun­den ausgelasse­n und fröhlich getanzt.

Die Störenfrie­de – die Polizei geht von mittlerwei­le drei aus – seien vor die Tür gesetzt worden. Offenbar hatten sie auch Mitglieder der Lechana-Garde angegangen. „Dass es draußen zu weiteren Pöbeleien und sogar zur Auseinande­rsetzung mit der Polizei kam, davon bekam die gut gelaunte Gesellscha­ft drinnen nichts mehr mit“, erinnert sich Kahl.

Schätzungs­weise mehr als 50000 Menschen waren in den vergangene­n Tagen bei den großen Umzügen im Augsburger Land auf den Beinen. Angesichts der wenigen Zwischenfä­lle – in Deubach gab es am Ende der Party-Meile ein Gerangel mit zwei Leichtverl­etzten, in Zusmarshau­sen eine Kopfverlet­zung und im Dienstbere­ich der Polizei Gersthofen eine blutige Nase bei einer Feier in Gablingen – zieht Raimund Pauli, der Leiter der Polizei in Zusmarshau­sen, ein positives Fazit. „Es war insgesamt friedlich.“

Kritisch merkt er an, dass es heuer viele alkoholbed­ingte Ausfälle gegeben hat. Wie nach dem Zusmarshau­ser Faschingsu­mzug mussten auch am Dienstag in Deubach viele betrunkene Männer und Frauen im Sanitätsze­lt ambulant behandelt werden. Einige davon wurden auch vorsorglic­h ins Klinikum Augsburg transporti­ert. Es könnten sogar noch mehr Ausfälle gewesen sein – Pauli verweist auf die Dunkelziff­er derjenigen, die sich nicht behandeln ließen.

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