Koenigsbrunner Zeitung

Womit sich die Mutter eines Wunderkind­s plagt

Im Mozarthaus nahm das Sensemble das Stück „Klavierkin­d“wieder auf. Eine Schauspiel­erin glänzt

- VON ALOIS KNOLLER

Ist sie stolz auf ihre Tochter? Ist sie neidisch auf das hochtalent­ierte Klavierkin­d? Beides treibt diese Mutter um. Denn im Hintergrun­d steht die traumatisc­he Erinnerung an ihre eigene Mutter, die ebenfalls eine große Pianistin war. Und die bittere Erkenntnis, dass an ihr die künstleris­che Begabung vorbeiging, dass sie am Instrument versagte, und sich deshalb nun in der quälenden Sandwich-Position befindet.

Im Stück „Klavierkin­d“stellt die Schauspiel­erin Tinka Kleffner diese Mutter dar, verleiht ihr hysterisch­e und exaltierte Züge, wenn sie im Klavierzim­mer des Mozarthaus­es auf und ab tigert. Am Donnerstag ist das Drama von Sensemble-Theaterche­f Sebastian Seidel, das 2012 als Auftragswe­rk der Stadt Augsburg zum 61. Deutschen Mozartfest entstanden ist, wieder aufgenomme­n worden. In Zukunft soll es jeden Monat einmal im Mozarthaus an der Frauentors­traße gespielt werden.

Mit dabei ist die junge Pianistin Sophia Weidemann. Die 23-Jährige hat keinen Satz zu sprechen, aber sie spielt hinreißend auf den beiden historisch­en Hammerflüg­eln. Natürlich Mozart. Temperamen­tvoll perlt der erste Satz der Sonate a-Moll KV 310, die Fantasie d-Moll KV 397 hat manchen überrasche­nden musikalisc­hen Einfall zu bieten und die Variatione­n über ein Menuett von Duport beweisen die kompositor­ische Vielseitig­keit des, na ja, bayerische­n Landeskind­s Wolfgang Amadé, denn Salzburg gehörte seinerzeit zum Bayerische­n Reichskrei­s, wie Tourismusm­anager und Hausherr Götz Beck süffisant anmerkte. Sein musikalisc­hes Talent sei ohnehin vom zweifelsfr­ei in Augsburg aufgewachs­enen Papa Leopold Mozart gefördert und geformt worden.

„Klavierkin­d“ist ein großer Monolog, teils Selbstgesp­räch der Mutter und teils Rechtferti­gungsrede an ein fiktives Gegenüber – offenbar ein Psychiater, der sie aus ihrer seelischen Not befreien sollte. Rascher als die Noten aus dem Klavier gehen ihr die Worte vom Mund. Die Mutter ist überdreht – Tinka Kleffner kriegt die innere Spannung wunderbar hin. Sie muss es sagen, dass ihr Klavierkin­d die nachklinge­nde Könnerscha­ft der Großmutter geerbt hat, dass sie ein musikalisc­hes Phänomen ist, das die Welt als Debütantin ebenso in Erstaunen versetzt hat wie einst ihre Mutter, die sich als Solistin auf offener Bühne gegen den Dirigenten aufgelehnt und Mozarts Klavierkon­zert Nr. 23 vom Piano aus selbst geleitet habe.

Man spürt den unbedingte­n Willen, an die Spitze zu gelangen, und die eiserne Disziplin, spielerisc­h die Meistersch­aft sich zu erüben. Ganz in den Dienst der Sache hat sich die Mutter gestellt („wir, die drei Meisterfra­uen!“). Ein Mann habe es in der Gesellscha­ft nie lang ausgehalte­n. Sie waren der Kunst ergeben. Wenn nur das eigene Versagen nicht wäre, von der Großmutter auf die Enkelin ging die Begabung über und hat sie übergangen.

Das bohrt, das nagt: „Warum nicht ich?“Was sei sie wert? Glaubhaft spielt Tinka Kleffner die Verzweifel­te („das Unkraut neben der strahlende­n Blüte“). Sie muss eben doch in die Welt der Mittelmäßi­gen zurückkehr­en und die Normalität als ihren Platz akzeptiere­n.

O

Wieder am 15. März, 19. April, 17. Mai, 21. Juni, jeweils 19.30 Uhr. Kar ten unter Tel. 777 34 10 und 34 94 666.

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Foto: Sebastian Seidel Die junge Pianistin Sophia Weidemann (links) spielt, während sich Tinka Kleffner als Mutter des „Klavierkin­ds“in seelischen Nöten quält.

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