In den Wäldern tickt eine Zeitbombe
Windwurf ist ein perfekter Nistplatz für den Borkenkäfer. Forstfachleute appellieren deshalb an alle Waldbesitzer: Jetzt muss unverzüglich gehandelt werden
Mindelheim
Niklas machte den Anfang. An Ostern 2015 fegte der Sturm über das Unterallgäu und hinterließ reihenweise umgeknickte Bäume. In diese Lücken rückten Herwart, Burglind und Friederike nach. Jeder dieser Stürme für sich genommen hat zwar nur überschaubare Schäden angerichtet. Aber sie haben die heimischen Wälder spürbar geschwächt. Die Folge: Nahezu flächendeckend liegen derzeit in den Wäldern einzelne Bäume, die der Wind umgeblasen hat.
Anfang Februar hat Forstbetriebsleiter Hermann S. Walter aus Ottobeuren die Staatswälder begehen lassen. Das Ergebnis: Nahezu überall liegen ein bis zwei Bäume je Hektar Wald. Hochgerechnet auf den Staatswald im Landkreis Unterallgäu dürften es rund 10 000 Festmeter Fichte sein. Das ist gemessen am Jahreseinschlag des Forstbetriebs von durchschnittlich 130 000 Festmetern wenig. Das Problem ist, dass die Bäume überall liegen und somit der Käfer ideale Brutstätten vorfindet.
Weil es in den privaten Schonungen nicht anders aussieht, liegen zwischen 30 000 und 40 000 Festme- ter auf den Waldböden. Das erfordert unverzügliches Handeln, betonte Walter bei einem Vor-OrtTermin im Hochfirst westlich von Stetten. Der Staatsforst hat bereits alle Waldarbeiter von ihren üblichen Arbeiten entbunden, um keine Zeit für das Aufarbeiten des Windholzes zu verlieren. Denn längst hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Bleiben die Bäume liegen, vermehren sich die Borkenkäfer dramatisch. Innerhalb eines Jahres könnten dann aus einem befallenen Baum 400 werden, sagte Forstamtsleiter Rainer Nützel. „Bis Ende März müssen wir es schaffen, alle umgestürzten Bäume aus den Wäldern zu schaffen“, betont Walter. Gelingt das nicht, schwärmt die erste Generation der Borkenkäfer aus. Schon aus purem Eigeninteresse sollten die Waldbesitzer rasch handeln, betont Nützel. Derzeit seien mit 85 bis 95 Euro je Festmeter auch gute Preise zu erzielen.
In den vergangenen zwei Jahren hatten die Waldbesitzer Glück, weil nur zwei Generationen pro Jahr ausgereift waren. Sollten aber der April und der Mai trocken und warm ausfallen, könnten sich heuer sogar drei Generationen bilden.
Dabei ist den Forstfachleuten mehr als bewusst, dass sich bei Waldarbeiten derzeit Schäden in den Rückegassen nicht vermeiden werden lassen. Die Böden sind stark wassergesättigt und trotz des Schneefalls nicht gefroren. Auch die Forststraßen dürften in den nächsten Wochen stark ramponiert werden. Walter bittet alle Spaziergänger um Verständnis. Und er versichert, dass alles wieder instandgesetzt wird.
Am wenigsten Probleme gibt es übrigens in den Mischbeständen, wo unterschiedliche Baumarten stehen. Der Staatsforst, aber auch die meisten Privatwaldbesitzer, bemühen sich seit Jahren um einen Umbau der früheren Monokulturen. Die Borkenkäferplage in den Fichtenschonungen zeigt Walter und Nützel wieder einmal, wie richtig die geänderte Strategie ist. Mischwälder sind auch bei Stürmen robuster.