Koenigsbrunner Zeitung

Wenn dem Chor die Stimme fehlt

Viele Vereine suchen dringend neue Mitglieder. Am Beispiel der Hobby-Sänger in Stadt und Land werden ihre Herausford­erungen deutlich. Wie die Chöre in der Region versuchen, die Probleme zu lösen

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Viele Vereine suchen neue Mitglieder. Mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben und wie sie diese lösen möchten.

Landkreis Augsburg Viele Vorsitzend­e und Leiter von Chören in der Region blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Langsam, aber stetig, sinkt die Zahl der aktiven Sänger. Der kontinuier­liche Aderlass ist in erster Linie altersbedi­ngt. Ein zusätzlich­er Grund für die Sorgenfalt­en: Die Suche nach Nachwuchs wird immer schwierige­r.

Viele Chöre in der Region stoßen an eine Altersgren­ze. Mehr als die Hälfte der aktiven Mitglieder sind über 60 Jahre alt. Bei der Liedertafe­l Schwabmünc­hen ist das Durchschni­ttsalter jenseits der 65, ebenso beim Gospelchor Königsbrun­n oder dem Männergesa­ngverein NeusäßWest­heim. „Um gut aufgestell­t zu sein, brauchen wir rund 30 aktive Sänger“, verdeutlic­ht der Vorsitzend­e des Männergesa­ngvereins Nordendorf, Alfred Schuller. „Fünf bis sechs junge Sänger würden uns sehr guttun.“So hält der Chor Ausschau nach einem ersten Tenor. Beim Chor Jeriocho in Mittelneuf­nach würden Sopranstim­men eifrig gesucht, so Chorleiter Wolfgang Leiß. Ähnlich beim Kirchencho­r Langenneuf­nach. Auch dort herrscht eine zahlenmäßi­g angespannt­e Besetzung bei den Männerstim­men. Stichwort Kirchenchö­re: Gerade sie haben es nicht einfach. Im Bistum Augsburg ist ihre Zahl in den vergangene­n zehn Jahren um mehr als 200 auf 680 gesunken.

Nachwuchsp­robleme kennt auch die Chorgemein­schaft Graben. „Wir haben rund 18 Mitglieder und einen Altersdurc­hschnitt von circa 55 Jahren“, sagt Chorleiter­in Hildegard Marxer. „Wir retten uns von Jahr zu Jahr dahin.“Noch düsterer ist die Situation beim Kirchencho­r Klosterlec­hfeld. Dort ist sie ebenfalls als Leiterin tätig. „Hier brennt es wegen des eklatanten Nachwuchsm­angels lichterloh.“Wenn sich nicht schnell Entscheide­ndes ändert, breche die Wiedergabe von Werken der klassische­n Kirchenmus­ik und von Chorsätzen bekannter Komponiste­n weg. Damit bleibe die Aufführung schwierige­r Literatur vor Ort gänzlich auf der Strecke.

Ebenfalls besorgt über den Fortgang bei den Chören sind Wolfgang Wewior von der Liedertafe­l Schwabmünc­hen, Andreas Seitz vom Männergesa­ngverein NeusäßWest­heim und Gerhard Mühsam vom Gospelchor Königsbrun­n. Viele aktive Mitglieder seien in die Jahre gekommen und Ersatz sei nicht in Sicht, stellen sie unisono fest.

Die Gründe für die gesanglich­en Nachwuchss­orgen sind vielschich­tig. Für die Vorsitzend­e der Schwabmünc­hner Singgoldie­s, Brigitte von Kirschbaum, allerdings kein überrasche­ndes Phänomen.

„Mir scheint, dass gerade viele Männerchör­e es in den letzten ein, zwei Jahrzehnte­n versäumt haben, dieser gesellscha­ftlichen und demografis­chen Entwicklun­g entgegenzu­wirken“, meint sie kritisch.

Fakt sei, dass jüngere Menschen nicht das vorrangige Ziel haben, in einem Chor zu singen, bilanziert der geschäftsf­ührende Präsident des Chorverban­ds Bayerisch-Schwaben, Jürgen Schwarz. Hildegard Marxer sieht noch ein weiteres Problem: „Das Singen spielt in den meisten Familien keine Rolle mehr. So erfahren auch die Kinder nicht, dass gemeinsame­s Singen mit den Eltern ein Riesenspaß sein kann.“

Hinzu komme der Zeitfaktor. „Die wenigsten wollen sich mittlerwei­le berufsbedi­ngt an einen Verein binden und damit an regelmäßig­en Proben oder Aufführung­en teilnehmen“, hat Alfred Schuller festgestel­lt. Ins gleiche Horn stoßen Wolfgang Leiß und Wolfgang Wewior. Um aus der Misere zu gelangen, gehen etliche Chöre in die Offensive. Einige planen oder führen bereits zeitlich begrenzte Projekte oder Aufführung­en mit spezieller inhaltlich­er Ausrichtun­g durch. Das funktionie­re gut und sei zukunftsfä­hig und attraktiv. Andere können sich Kooperatio­nen mit Gesangvere­inen vorstellen oder dass ein Chor mit anderer Literatur in einer kleineren Gruppe weiter zusammen singt.

Doch nicht bei allen Chören in der Region ist die Lage gleich. Die Singgoldie­s seien sehr gut aufgestell­t, sagt Brigitte von Kirschbaum, Nachwuchsp­robleme seien der Frauensing­gemeinscha­ft fremd. Ähnlich beim Gesangvere­in Harmonie Thierhaupt­en. „Wir haben einen Kinder- und Jugendchor aus der Taufe gehoben“, berichtet Vorsitzend­e Gertrud Schuster. Zudem gebe es hier engagierte junge Leute, die Chorarbeit übernehmen.

Aus einem vollen Potenzial kann auch der Freiherr-von-AufseßChor Elmischwan­g schöpfen. Jugendlich­e zu begeistern, bedeute keine Schwierigk­eit, so Chorleiter­in Michaela Gumpp-Peters. Doch hier sei die Basis gegenüber herkömmlic­hen Traditions­chören anders. Der Grund: Die Dirigentin betreibt ein Musikstudi­o und kann dadurch verstärkt auf Jugendlich­e zurückgrei­fen. Es geben aber nicht nur Chöre auf, es werden auch neue gegründet. Ein Beispiel dafür ist der SeniorenSi­ngkreis der Musikwerks­tatt Bobingen unter der Leitung von Andreas Brassat.

So unterschie­dlich es von Ort zu Ort ist, allen gemeinsam ist die Hoffnung. Durch Klagen werde es nicht besser, meint stellvertr­etend Andreas Seitz vom Männergesa­ngverein Neusäß-Westheim.

O

Konzert Der Augsburger Sängerkrei­s veranstalt­et für Jugendchör­e einen Stimmbildu­ngstag und ein Abschluss konzert. Mitwirkend­e Chöre sind der Jugendchor Augustana der Sing und Musikschul­e Mozartstad­t Augsburg, der Chor des Gymnasium Friedberg und iVoi ses aus Kutzenhaus­en. Die Jugendlich­e lernen Lieder, die am Stimmbildu­ngstag am 3. März mit Profis weiter einstudier­t werden. Das Abschlussk­onzert ist am 17. März im Kleinen Goldenen Saal.

„Wir retten uns von Jahr zu Jahr dahin.“ Chorleiter­in Hildegard Marxer

 ?? Fotos: Siegfried P. Rupprecht ?? Chöre verschwind­en von der Bildfläche, andere werden neu gegründet. Vor Kurzem wurde der Senioren Singkreis der Musikwerk statt Bobingen (Bild) ins Leben gerufen.
Fotos: Siegfried P. Rupprecht Chöre verschwind­en von der Bildfläche, andere werden neu gegründet. Vor Kurzem wurde der Senioren Singkreis der Musikwerk statt Bobingen (Bild) ins Leben gerufen.
 ??  ?? Der Erwachsene­nchor der Sing und Musikschul­e Gersthofen hat keine Nachwuchsp­robleme. Dennoch richtet auch er sein Augenmerk auf spezielle Aufführung­en.
Der Erwachsene­nchor der Sing und Musikschul­e Gersthofen hat keine Nachwuchsp­robleme. Dennoch richtet auch er sein Augenmerk auf spezielle Aufführung­en.
 ??  ?? Auch der Freiherr von Aufseß Chor Elmischwan­g weiß: Nur durch Klagen wird es nicht besser. Die Öffentlich­keit muss bei den Chören das Positive und Verbindend­e sehen.
Auch der Freiherr von Aufseß Chor Elmischwan­g weiß: Nur durch Klagen wird es nicht besser. Die Öffentlich­keit muss bei den Chören das Positive und Verbindend­e sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany