Der Augsburger liebt seinesgleichen
Diese Einleitung habe ich schon zum Brechtfestival im vergangenen Jahr geschrieben: Bei Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“rätselte die Literaturwissenschaft 50 Jahre lang, warum der Protagonist der Schrift ausgerechnet „Keuner“heißt. Haben sich die Vertreter der Zunft mal in Augsburg umgehört, wären sie schneller schlau(er) geworden. Der „Herr Keuner“heißt so, weil „koiner so ist wie er“. Für Nordlichter: „keiner“.
Im Grunde genommen entwirft Brecht hier sein Gedankengebäude präziser als in seinen Stücken. Ein, sagen wir mal, „Aphorismus“ist überschrieben mit „Gleich besser als verschieden“und lautet: „Nicht, dass die Menschen verschieden sind, ist gut, sondern dass sie gleich sind. Die Gleichen gefallen sich. Die Verschiedenen langweilen sich.“Also, auf’s Augsburger Volk bezogen liegt der Dichter goldrichtig!
Ich frage mich schon seit vielen Jahren, warum so viele Augsburger jeden Tag in diesen Konsumtempel in der Nähe des Vogeltors ziehen. Heute weiß ich: Nichts genießt der Augsburger so sehr wie den Anblick von anderen (gleichen) Augsburgern. Hier sieht er seinesgleichen und weiß, wenn ihn einer im Gedränge anrempelt, sagt der erwartungsgemäß nichts oder ein mürrisches „hoppla“.
Die „Oberschicht“Augsburgs sieht man selten in diesem Einkaufszentrum. Die versammelt sich bei spezifischen Veranstaltungen („Events“) wo der „kloine Ma“eher Persona non grata ist. Und selbst wenn alle zusammen im gleichen Stadion sitzen, gibt es Unterschiede. Die Hardcore-Fans stehen in der Nordkurve, während die Promis von den Logen dem FCA zusehen.
Die Gleichen wollen zu den Gleichen, so langweilen sie sich nicht, wenn sie sich treffen. Selbst am Gardasee, wo ebenfalls alle hinfahren, gibt es diese feine Trennung: Die einen sind mehr auf der Westseite des Sees präsent, die anderen auf der Ostseite… An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.