Städtischer Baumschutz steht in der Kritik
Ein neuer Fall von Baumfrevel in Inningen sorgt für Ärger. Die Bürger sind sauer auf den Umweltreferenten. Was die Stadt mit Blick aufs Grün vorhat und wo die großen Probleme liegen
Fälle wie dieser machen Bürger wütend: Mitten im Augsburger Stadtteil Inningen musste ein hundert Jahre alter geschützter Walnussbaum abgeholzt werden, nachdem er bei Grabungen schwer beschädigt worden war. Der Verlust des prägenden Baumes bringt nicht nur Wolfgang Klimm und Karl Sykora aus Inningen in Rage. Sie fühlen sich an ähnliche Vorfälle bei Bauvorhaben am Hauptbahnhof und in Göggingen erinnert. Auch dort sollten nach den Vorgaben der Stadt große Bäume erhalten bleiben und mussten nach Schäden durch Bauarbeiter weichen. „Es ist immer das gleiche Muster“, ärgern sich Klimm und Sykora. Dabei habe Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) versprochen, Bäume besser zu schützen.
Der gefällte Walnussbaum an der Bobinger Straße sorgt inzwischen auch politisch für Ärger. Die Freien Wähler sprechen von „Baumfrevel“. Und wieder gebe es geschäftliche Interessen im Hintergrund, kritisiert Stadträtin Regina StuberSchneider. Auf dem Grundstück der Arbeitwohlfahrt werde ein Projekt für Betreutes Wohnen entstehen. Der Walnussbaum sei offenbar dem geplanten Parkplatz im Weg gestanden. Auch sie sieht den Umweltreferenten der Grünen in der Pflicht, wertvolle Bäume in Augsburg besser zu schützen.
Erben sagt, er könne den Frust gut verstehen. Und er erklärt, wie das Problem entstand. Der Baum in Inningen sei von einer archäologischen Grabungsfirma so schwer beschädigt worden, dass er nicht mehr zu retten war. Mit einer neuen Anordnung will Erben nun sicherstellen, dass künftig auch bei archäologischen Grabungen Bäume besser geschützt werden. Das Amt für Grünordnung will zudem ein Bußgeld verhängen und Ersatzpflanzungen vorschreiben.
Krasser Baumfrevel sorgte in Augsburg in den vergangenen Jahren immer wieder für großen Ärger. Mehrere Vorfälle lösten heftige Kritik in der Bevölkerung aus. Beim Umbau des Augsburger Hauptbahnhofes wurden Anfang 2017 mehrere geschützte Bäume auf dem Vorplatz so stark beschädigt, dass sie gefällt werden mussten. Eine ähnliche Fällung Ortsbild prägender Bäume hatte 2016 in Göggingen in der Bürgermeister-AurnhammerStraße für einen Proteststurm bei Anwohnern gesorgt. Auch dort war der Wurzelbereich bei Bauarbeiten so stark geschädigt worden, dass zwei alte Kastanien und ein Spitzahorn nicht mehr zu retten waren.
Zwar wurden in Göggingen inzwischen neue Bäume gepflanzt. In beiden Fällen versucht die Stadt aber schon seit Längerem, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Damit tut sich die Verwaltung schwer. Beide Verfahren seien nach wie vor nicht abgeschlossen, hieß es am Dienstag.
Umweltreferent Erben will in Sachen Baumschutz vor allem auf Aufklärungsarbeit setzen. „Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten“, sagt er. Baumschutz müsse ein gesamtgesellschaftliches Ziel werden, denn mit Auflagen allein werde die Stadt nicht weiterkommen. Seit einem halben Jahr gibt es einen neuen Leitfaden für Ämter und Bauherren, wie in Augsburg mit Bäumen umgegangen werden soll. Doch der ist noch nicht bei allen Bauherren angekommen, wie weitere Vorfälle in den vergangenen Monaten zeigten. Viele Stadträte sind schon länger mit ihrer Geduld am Ende. Es gibt bereits einen Beschluss des Umweltausschusses, die geltende Baumschutzverordnung zu verschärfen. Dieses Thema will Erben in diesem Jahr angehen. Geplant sei beispielsweise, dass die Bauherren bei besonders wertvollen Bäumen vorab höhere finanzielle Sicherheitsleistungen hinterlegen müssen. „Es muss für Unternehmen spürbar sein“, sagt Erben.
Ein anderes Beispiel: Ein Bauherr in der Holbeinstraße musste schon jetzt eine hohe Ausgleichszahlung bei der Stadt hinterlegen, insgesamt 45000 Euro. Die Firma Bäko, ein genossenschaftlicher Großhandel für Bäcker und Konditoren, errichtet dort ein neues Verwaltungsgebäude. In diesem Fall hat die Stadt die Fällung zahlreicher Großbäume genehmigt. Staatliches Baurecht hatte Vorrang vor der städtischen Baumschutzverordnung. Mit dem Geld müssen aber umfangreiche Ersatzpflanzungen finanziert werden.
Aber auch insgesamt sorgen sich viele Bürger um den Baumbestand in der Stadt. Augsburg gilt zwar vergleichsweise als grüne Stadt. Es gibt allein rund 70 000 Bäume an Straßen und in Parks. Vor zwei Jahren kam aber durch eine Anfrage der ÖDP heraus, dass die Stadt seit Jahren mehr Bäume fällt als sie nachpflanzt. Inzwischen steht wieder mehr Geld im Haushalt für Neuanpflanzungen zur Verfügung. Erst kürzlich hat das Amt für Grünordnung 200 Jungbäume gekauft, die bald an Straßen und in Grünanlagen stehen werden. Amtsleiterin Anette Vedder geht davon aus, dass mit diesem Schritt zumindest die städtischen Fällungen in dieser Wintersaison ausgeglichen werden können.
Auch am Stadtrand in den Wohnund Gewerbegebieten sei zuletzt viel neues Grün hinzugekommen. „Da haben wir mächtig aufgeholt“, sagt sie. Deutlich schwieriger sei die Situation im Zentrum. Mit dem aktuellen Bauboom wird dort der Platz immer knapper, auch für die Bäume. Aus Sicht der Amtsleiterin wäre, auch mit Blick aufs Stadtklima, ein Plan nötig, wie man an ausgewählten Straßen mehr Grün schaffen könnte – nicht nur durch Bäume, sondern auch durch andere Formen wie etwa Fassaden- und Dachbepflanzungen.