Koenigsbrunner Zeitung

Geldbeutel Raub oder Räuberpist­ole?

Unbekannte sollen einen Mann bedroht und ihm die Geldbörse gestohlen haben. Doch das Portemonna­ie liegt im Handschuhf­ach

- VON ADRIAN BAUER

Ein Königsbrun­ner Ladenbesit­zer sagt, dass man ihn auf einem Parkplatz beraubt hat. Die Kripo glaubt ihm nicht.

Ein Mann ruft die Polizei an und meldet, dass er gerade auf einem Königsbrun­ner Supermarkt-Parkplatz überfallen worden sei. Nun saß er aber selbst auf der Anklageban­k des Augsburger Amtsgerich­ts – wegen Missbrauch­s von Notrufen. Denn der angeblich gestohlene Geldbeutel lag im Handschuhf­ach des Autos. Von der Raubgeschi­chte weicht der Mann aber nicht ab. Und es gibt einiges, was dafür spricht, dass die Geschichte nicht ausgedacht war.

Glaubt man dem Mann, hat sich die Szene am Vormittag des 18. Mai vergangene­n Jahres so abgespielt: Er fährt mit seinem Auto um kurz vor zehn Uhr auf den Parkplatz und geht zum Kofferraum. Dort will er Handys holen, um sie in seinem Laden zu reparieren. Während er sich nach den Geräten bückt, drückt ihm plötzlich jemand einen spitzen Gegenstand in den Rücken. Eine Stimme mit rumänische­m Akzent befiehlt ihm: „Rück’ alles raus!“Er spürt, wie ihm etwas aus der Gesäßtasch­e gezogen wird, vermutet, dass es sich um seine Geldbörse mit gut 1300 Euro handelt. Dann hört er zwei Männer wegrennen. Er dreht sich um und sieht sie in einen blauen Golf einsteigen, der einige Hundert Meter entfernt am Straßenran­d steht. Dann braust das Auto davon.

Die Polizei fahndete am Tattag nach dem Auto und den Räubern – allerdings ohne Erfolg. Denn die Männer – so sie es denn gegeben hat – hatten einen schönen Vorsprung. Der Überfallen­e rief nämlich zuerst bei seiner Verlobten an, um ihr von dem Erlebnis zu berichten: „Sie hat auch gesagt: Warum rufst du mich an und nicht die Polizei?“Erst zehn Minuten nach der Tat ging der Notruf in Augsburg ein.

Beamte einer Streife leiteten die Fahndung ein und verständig­ten, wie bei Raubüberfä­llen üblich, die Kriminalpo­lizei. Den Spezialist­en kam die Geschichte des Mannes merkwürdig vor. Warum lagerte er die reparaturb­edürftigen Handys im Kofferraum, statt sie für die Fahrt von der Wohnung zum Geschäft einfach in den Innenraum zu packen? Zudem wunderten sich die Ermittler, dass der Mann keine Anstalten gemacht hatte, sich umzudrehen, als er angesproch­en wurde, dann aber den flüchtende­n Räubern doch hinterherl­ief. Und gesehen hatte die Tat auf dem belebten Parkplatz angeblich auch niemand.

Die Kriminalpo­lizisten entschloss­en sich, den Wagen zu durchsuche­n. „Der erste Griff war zum Handschuhf­ach. Und dort lag der angeblich gestohlene Geldbeutel“, sagte einer der Kripo-Beamten im Zeugenstan­d. Eine schlüssige Erklärung habe der Mann am Tatort nicht gehabt.

In der Verhandlun­g trug Verteidige­r Ulrich Swoboda vor, dass sein Mandant sehr wohl bestohlen worden sei. Er habe einen Umschlag mit 1350 Euro Bargeld in seiner Gesäßtasch­e gehabt. Der Handyladen des Mannes bot auch Geldtransf­er-Leistungen an. Menschen können dort Geld einzahlen und Verwandten im Ausland zukommen lassen. Das Geld stammte aus diesem Geschäftsz­weig. Und hier wurde es für Richter Philipp Meyer schwierig. Denn der Angeklagte konnte gute Gründe vorlegen, warum es ihm nichts gebracht hätte, einen Überfall zu fingieren: „Es gibt keine Versicheru­ng bei Überfällen. Ich musste meinem Chef das verlorene Geld aus der eigenen Tasche ersetzen“, sagte der Mann. Diese Zahlung ist dokumentie­rt. Zudem habe er in dem Laden schon wesentlich höhere Summen angenommen. An guten Tagen seien mehr als 10 000 Euro zusammenge­kommen: „Warum sollte ich so etwas für eine so kleine Summe riskieren?“Er leide unter den Folgen des Überfalls, sei in ärztlicher Behandlung und habe infolgedes­sen auch seinen Laden geschlosse­n.

Richter Philipp Meyer regte schließlic­h eine Einstellun­g des Verfahrens gegen eine Geldauflag­e an. Die Staatsanwa­ltschaft rief einen Betrag von 1000 Euro auf, den der Mann an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g zahlen muss, damit das Strafverfa­hren vom Tisch ist. Der Angeklagte und sein Verteidige­r stimmten zu. „Jeder soll in einer Notsituati­on den Notruf wählen ohne Sorgen vor möglichen Konsequenz­en“, sagte Richter Meyer. Gefährlich würde es aber, wenn sich die Polizisten beim Einsatz veräppelt vorkämen.

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