Koenigsbrunner Zeitung

„Oh je – so sollte es nicht kommen“

Volker Kauder erklärt, warum er wenig Lust auf eine Minderheit­sregierung hat. Außerdem spricht der Chef der Unions-Fraktion über seinen Rivalen Jens Spahn und verrät, wie er mit der AfD im Bundestag umgehen will

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Herr Kauder, was machen Sie am Sonntagabe­nd?

Volker Kauder: In der ARD werde ich zum Ergebnis des Mitglieder­entscheids der SPD befragt werden.

Sollten die SPD-Mitglieder die Große Koalition ablehnen, wackelt die Republik. Haben Sie einen Plan B? Kauder: Ich glaube daran, dass Plan A greift. Das ist wie im Sport: Man sollte immer an das Resultat glauben, für das man so lange gearbeitet hat. Das machen die Fußballer des FC Bayern doch genauso.

Was ist wahrschein­licher: Dass Ihr Lieblingsv­erein die Champions League gewinnt oder dass die GroKo eine ganze Legislatur­periode durchhält? Kauder (lacht): Beides wird passieren. Im Ernst: Ich bin überzeugt davon, dass diese Koalition vier Jahre hält.

Nehmen wir trotz Ihrer Zuversicht mal an, Angela Merkel würde Chefin einer Minderheit­sregierung. Dann hätten Sie eine Menge Arbeit. Als Fraktionsc­hef müssten Sie im Bundestag dauernd Mehrheiten für die Politik der Kanzlerin organisier­en ... Kauder: ... und das würde den Steuerzahl­er sehr viel kosten. Denn wir müssten ja den anderen, auf deren Stimmen wir von Fall zu Fall angewiesen wären, immer etwas zugestehen, damit auch die ihre Erfolge nach Hause tragen können. Das wären quasi Dauer-Koalitions­verhandlun­gen. Oh je – so sollte es nicht kommen.

Im Interview mit unserer Zeitung hat CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert, dass die CDU schon Ministerpo­sten verteilt, obwohl die Koalition noch gar nicht steht. Er sprach von schlechtem Stil. Hat Sie das geärgert?

Kauder: Es wäre absolut undenkbar gewesen, den CDU-Mitglieder­n auf dem Parteitag die Mannschaft­saufstellu­ng zu verschweig­en. Das hätte die Delegierte­n massiv verärgert. Das wäre auch bei der CSU so gewesen. Im Übrigen hat Horst Seehofer ja selbst auch schon gesagt, dass er Innenminis­ter werden möchte.

Sein Posten ist jedenfalls klar. Seehofer soll eine Art Superinnen­minister mit Bau und Heimat werden. Weiß er überhaupt, worauf er sich mit diesem Job einlässt?

Kauder: Daran habe ich keine Zweifel. Er hat ja viele Jahre Erfahrung. Aber natürlich ist das neue Amt eine Herausford­erung. Mit Jens Spahn macht jetzt ein CDUMann Karriere, mit dem Sie nicht immer einer Meinung sind. Welche Rolle wird er künftig spielen?

Kauder: Er wird sich zunächst intensiv um seine neue Aufgabe als Gesundheit­sminister kümmern müssen. Minister zu sein, ist noch einmal etwas anderes als Parlamenta­rischer Staatssekr­etär.

Als neue Galionsfig­ur des konservati­ven Flügels hat er aber bereits angekündig­t, dass er sich weiterhin auch zu anderen Themen äußern wird. Rechnen Sie mit Querschüss­en?

Kauder: Er wird sich weiter an den Debatten beteiligen. Er ist schließlic­h Präsidiums­mitglied. Diskussion­sbeiträge sind nicht automatisc­h Querschüss­e.

Sie selbst haben bei der Wahl zum Unions-Fraktionsc­hef noch nie so viele Gegenstimm­en bekommen wie dieses Mal. Hat Sie das getroffen? Kauder: Alle hatten im September an dem schlechten Ergebnis bei der Bundestags­wahl zu kauen. Das habe auch ich zu spüren bekommen.

Viele Unions-Politiker machen sich Sorgen, weil die SPD den Finanzmini­ster stellen soll. Sie auch?

Kauder: Wir werden darauf achten, dass die Stabilität des Euro und der Staatsfina­nzen nicht aufgeweich­t wird. Ich habe keinen Zweifel, dass Olaf Scholz als Finanzmini­ster an der im Koalitions­vertrag vereinbart­en Politik der schwarzen Null festhalten wird. Und zur Not werden wir ihn eben im Parlament einbremsen. Denn der Haushalt wird vom Bundestag beschlosse­n und nicht von der Regierung.

In einer Koalition hängt viel davon ab, wie sich die Fraktionsc­hefs verstehen. Ihre Freundscha­ft mit dem SPD-Politiker Peter Struck ist legendär. Wie verstehen Sie sich mit Andrea Nahles? Kauder: Wir haben ein sehr gutes und profession­elles Verhältnis.

Als Fraktionsc­hefin einer Partei, die ums Überleben kämpft, wird sie aber wohl fordernder auftreten als ihre Vorgänger.

Kauder: Jeder von uns weiß, dass er dem anderen nicht alles zumuten kann.

Der Bundestag genießt wieder mehr Aufmerksam­keit. In den letzten Wochen ging es wieder leidenscha­ftlicher zu. Liegt das auch an der AfD? Kauder: Im Parlament geht es lebhafter zu, ja. Dabei ist aber klar geworden, dass die AfD-Fraktion nur ein einziges Thema kennt, nämlich die Flüchtling­spolitik, und hier kommt auch nur Populistis­ches. In anderen Bereichen, die für die Menschen und das Land wichtig sind, wie die Rente oder die Außenpolit­ik, herrscht bei der AfD absolute Fehlanzeig­e. Wollen Sie die AfD im Bundestag frontal attackiere­n oder fürchten Sie, dass Sie es der Partei damit noch leichter machen, in die Opferrolle zu schlüpfen?

Kauder: Wir werden uns sachlich mit den Rednern der AfD auseinande­rsetzen. Sie fallen vielfach auch dadurch auf, dass sie mit Halbwahrhe­iten oder Unwahrheit­en argumentie­ren. Das werden wir klar und deutlich offenlegen. Man muss nicht auf jede Provokatio­n einsteigen. Das würde der AfD nur in den Kram passen. Vorrangig ist für uns ohnehin eins: Wir müssen unsere Politik erklären und den Bürgern beweisen, dass sie sich auf uns verlassen können.

In der letzten Großen Koalition hat die SPD ihre Vorhaben sehr schnell durchgeset­zt. Welche Themen haben diesmal Priorität?

Kauder: Für uns stehen an erster Stelle die Gesetze zur besseren Steuerung und Begrenzung der Migration, die Einleitung einer Digitalisi­erungsoffe­nsive und Projekte zur Familienfö­rderung wie das Baukinderg­eld und Ganztagsbe­treuung an den Grundschul­en. Ganz wichtig wird die Verabschie­dung des Haushalts für 2018 noch vor der Sommerpaus­e sein. Denn ohne Budget kann nichts umgesetzt werden.

Die CSU will die Beschlüsse zur Flüchtling­spolitik im Koalitions­vertrag so schnell wie möglich umsetzen. Ist das auch Ihr Ziel?

Kauder: Viel Zeit ist durch die vielen Verhandlun­gen seit September und durch die Mitglieder­befragung der SPD vergangen. Diese Zeit müssen wir wieder reinholen. Bis zur Sommerpaus­e brauchen wir das neue Gesetz zum Familienna­chzug. Wir wollen weitere sichere Herkunftss­taaten benennen und die Grundlage für die Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e, über deren Asylantrag noch nicht entschiede­n ist, schaffen. Das ist ein großer Kraftakt. Aber das müssen wir schaffen, weil die große Mehrheit der Menschen das auch erwartet.

Interview: Michael Stifter

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Volker Kauder ist seit 2005 Vorsitzen der der Fraktion von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Keiner seiner Vor gänger war länger im Amt. Der 68 Jäh rige vertritt seit 1990 den baden württem bergischen Wahlkreis Rottweil Tuttlin gen im Parlament. Er gehört zu den engs ten Vertrauten von Bundeskanz­lerin und CDU Chefin Angela Merkel.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Volker Kauder ist einer der wichtigste­n Männer im Machtzirke­l von Angela Merkel. Als Unions Fraktionsc­hef hält er den Laden zu sammen und kämpft um Mehrheiten für die Politik der Kanzlerin.
Foto: Michael Kappeler, dpa Volker Kauder ist einer der wichtigste­n Männer im Machtzirke­l von Angela Merkel. Als Unions Fraktionsc­hef hält er den Laden zu sammen und kämpft um Mehrheiten für die Politik der Kanzlerin.

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