Koenigsbrunner Zeitung

Der Joghurt Erfolg einer starken Frau

Unternehme­n der Region Christine Weber hat die Molkerei-Gruppe Zott aus Mertingen groß rausgebrac­ht. Die Unternehme­rin ist eine Marken-Expertin. Die Produkte aus Schwaben sind selbst in Vietnam gefragt

- VON STEFAN STAHL Fotos: Ulrich Wagner

Mertingen Christine Weber hat einen azurblauen Blazer für das Gespräch gewählt. Doch als es während des Interviews darum geht, ein Bild der Inhaberin der MolkereiGr­uppe Zott zu machen, erbittet sie eine Umziehpaus­e. Die Frau tauscht den blauen gegen einen roten Blazer ein, auch wenn Fotograf und Reporter versichern, der blaue stehe ihr gut. Es nützt nichts.

Die 63-Jährige setzt sich über alle Kompliment­e hinweg und sagt: „Auf Bildern habe ich immer einen roten Blazer an. Das ist die Farbe unserer Marke.“Von Marken, deren Erfindung, Pflege, ja fortwähren­der kreativer Erneuerung versteht Christine Weber eine Menge. Sie hat in Augsburg Wirtschaft studiert und in den bis auf das Jahr 1926 zurückgehe­nden Mertinger Familienbe­trieb Zott ihr MarkenFein­gefühl kräftig eingebrach­t.

Von Anfang ihrer Karriere an musste sich Christine Weber gegen männliche Bedenken und Widerständ­ler im eigenen Haus durchsetze­n. Wer der Frau in die Augen schaut und ihr zuhört, lernt einen Menschen kennen, der sich mit Sätzen wie „Das geht nicht“, „Das haben wir immer schon so gemacht“oder „Das könnte schiefgehe­n“niemals abfinden mag. Derlei Einwände stacheln die Unternehme­rin zu umso mehr Motivation an. Wenn etwas gut lief, fragt sie später dann: „Was machen wir noch besser?“Fordernd nennt man solche Menschen.

Ein Charakterz­ug, der den Erfolg Christine Webers erklären mag. Sie würde aber nie von ihrem Erfolg sprechen. Die Unternehme­rin ist keine Einzelkämp­ferin und rühmt stets ihr Team. Zum Interview ist sie nicht allein, sondern mit einer Frau und zwei Männern aus der Erfolgsman­nschaft gekommen. Bei allem Selbstbewu­sstsein praktizier­t die Unternehme­rin moderne Management­methoden, setzt auf Teilhabe und Wertschätz­ung. Insofern ist die Chefin eines der führenden europäisch­en Molkerei-Unternehme­n mit knapp 3100 Beschäftig­ten keine Patriarchi­n.

Wie so viele, oft weltweit erfolgreic­he Familienun­ternehmer aus der Region hat sie sich bis auf die Fachpresse bisher medial zurückgeha­lten. Eben keine Einblicke gegeben in ihre Erfolgsrez­epte. Doch jetzt öffnet sich Christine Weber, erzählt ihre Geschichte. Sie ist in dem Familienbe­trieb, der gut 40 Kilometer nördlich von Augsburg liegt, aufgewachs­en und konnte von klein auf mitmischen. Während des Studiums hat sie zwei Kinder bekommen und immer weiter gearbeitet. Ihr Mann Albert Weber ist übrigens der Eigentümer des nicht minder stark wachsenden und erfolgreic­hen Gartencent­er-Unternehme­ns Dehner aus Rain am Lech.

Anfang der Karriere von Christine Weber stand mit dem Sahnejoghu­rt das bekannte cremigsüße Zott-Produkt. Die MarkenExpe­rtin wollte einen Joghurt entwickeln, der dem Unternehme­n den Zugang in die Kühlregale in ganz Deutschlan­d ermöglicht. Im Fachjargon heißt das „nationale Distributi­on“. Die Zott-Revolution­ärin musste Widerständ­e männlicher Familienmi­tstreiter überwinden, auch als sie dem Becher einen schicken Plastiksoc­kel verpasste, um den Joghurt besser als Luxus-Dessert für jedermann verkaufen zu können.

Rückblicke­nd sagt Christine Weber über ihre Sturm- und Drangzeit: „Wenn ich nicht die Tochter gewesen wäre, ich wäre einige Male entlassen worden.“Keiner habe damals an ihre Visionen geglaubt. Christine Weber lacht.

Längst dominiert Zott den Markt für Sahnejoghu­rts in Deutschlan­d. Dabei ist das Joghurtges­chäft nicht komplizier­t wie andere Branchen. Immer wieder müssen neue Geschmacks­varianten entwickelt werden. Verbrauche­r lieben die Abwechslun­g. Meterlange Kühlregale in Supermärkt­en zeuAm gen davon. Ob die limitierte Karibikedi­tion für den Frühling oder Joghurt à la Praliné für besondere Geschmäcke­r. So ein großer Produkterf­olg wie der Sahnejoghu­rt fördert den Mut, neue Risiken einminder zugehen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs machte sich Christine Weber Richtung Osten auf. Ob in Ungarn, der heutigen Slowakei und vor allem in Polen: Überall setzte sich die Unternehme­rin durch. Zott produziert auch in Polen. Dort trifft der Joghurt Jogobella mit großen Fruchtstüc­kchen den Verbrauche­rNerv. Die bayerische Firma wäre aber nicht derart erfolgreic­h geworden und würde heute nicht mit 960 Millionen Euro an der Milliarden­Umsatzmark­e kratzen, hätte es nicht viel mehr Innovation­en gegeben. Neben dem schwäbisch­en Mozzarella „Zottarella“und anderen Käseproduk­ten gelang Christine Weber vor allem mit der Marke „Monte“nach dem Sahnejoghu­rt ein zweiter großer Streich. „Wir haben es in diesem Kindersegm­ent geschafft, die Fruchtzwer­ge von Danone zu überholen“, sagt sie ganz sachlich. Eine Riesen-Leistung im Kampf mit dem französisc­hen Multi, der einen Mega-Werbe-Etat hat. Monte ist ein Dessert aus heller Milchcreme und brauner Schoko-Haselnussc­reme.

Nun ließe sich mutmaßen, dass sich so ein Produkt wie ein Bier oder eine bestimmte Schokolade weltweit verkaufen lässt. Derart einfach ist das aber nicht. Dass Christine Weber es geschafft hat, mit ihrem Monte auch in Vietnam Marktführe­r im Dessertber­eich zu werden, hat sie landeskund­igen Experten ihres Hauses zu verdanken. Denn kleine Kinder des asiatische­n Landes nehmen Schokolade als bitter wahr. Deshalb wird Monte aus schwäbisch­er Produktion in Vietnam mit gelber Vanille-Haselnussc­reme unterlegt. Das ist Globalisie­rung.

Und wie Coca-Cola wird Monte in Vietnam zum Teil in entspreche­nden, mit dem Marken-Logo beschrifte­ten Kühlschrän­ken, angeboten. Zott-Artikel gibt es in über 35 000 Läden des Landes. Die Produkte bringen oft Moped-Fahrer in Kühltasche­n in entlegene Gebiete.

Christine Weber erzählt nun mit rotem Blazer diese unglaublic­he Geschichte, auch, dass Zott in Vietnam schon über 800 Mitarbeite­r beschäftig­e. In Deutschlan­d sind es gut 1600. Dabei investiert die Unternehme­rin kräftig in der Region. Zott hat ein Backwerk in Mertingen für Monte-Snacks bauen lassen, sozusagen die schwäbisch­e Milchschni­tte. Dort arbeiten 60 Frauen und Männer. Auch eine neue Firmenzent­rale entsteht.

Auf dem Tisch vor Christine Weber sind alle Produkte ihres süßen Milch-Imperiums aufgereiht. Die Marken-Macherin aus Mertingen schaut sie zufrieden an und sagt: „Alles meine Babys!“

Es ist Mittagszei­t. Die Unternehme­rin isst genussvoll einen ihrer Sahnejoghu­rts mit Erdbeeren und weißen Schokolade­nsplits. Die Sorte mag sie besonders.

Die Firma beschäftig­t gut 800 Mitarbeite­r in Vietnam

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 ??  ?? Christine Weber hat immer wieder neue Marken für Zott erfolgreic­h entwickelt. Den Sahne Joghurt und Monte Leckereien ver binden viele mit Zott. In Mertingen werden etwa Monte Produkte (Bild oben) produziert und auch eingelager­t.
Christine Weber hat immer wieder neue Marken für Zott erfolgreic­h entwickelt. Den Sahne Joghurt und Monte Leckereien ver binden viele mit Zott. In Mertingen werden etwa Monte Produkte (Bild oben) produziert und auch eingelager­t.
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