Koenigsbrunner Zeitung

Die Eltern sollten langsam an Rattengift sterben

53-Jähriger muss wegen versuchten Mordes neuneinhal­b Jahre in Haft. Seine Verteidigu­ngsrede wird zur Märchenstu­nde

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Ingolstadt Den Vorwurf, dass er seine Eltern mit Rattengift aus China umbringen wollte, will der Angeklagte nicht auf sich sitzen lassen. Der 53-Jährige legt sich eine abenteuerl­iche und abstrus klingende Verteidigu­ngsrede zurecht – letztlich zu abstrus. Denn von den Erklärunge­n lässt sich das Landgerich­t Ingolstadt nicht beeindruck­en. „Das ist alles ziemlich hanebüchen“, kommentier­t der Vorsitzend­e Richter Jochen Bösl am Freitag in seiner Urteilsbeg­ründung.

Wegen zweifachen versuchten Mordes schickt er den Sohn neuneinhal­b Jahre ins Gefängnis. Ärzte konnten die lebensbedr­ohlich vergiftete­n Opfer gerade noch retten. „Es war reiner Zufall, dass die Eltern nicht verstorben sind“, sagt der Richter. Die Verteidige­r, die Freispruch gefordert hatten, kündigen Revision beim Bundesgeri­chtshof an. Der Angeklagte lebte im oberbayeri­schen Wettstette­n (Landkreis Eichstätt) im Nachbarhau­s seiner 77 Jahre alten Mutter und des 81 Jahre alten Vaters. Monatelang hatte sich der Landwirt im Jahr 2016 mit einem speziellen Rattengift beschäftig­t, im Internet recherchie­rt und dann zweimal per E-Mail in China das Gift bestellt. Das hatte der 53-Jährige auch in dem Prozess zugegeben. Zunächst hatte er allerdings bei der Polizei behauptet, für einen Bekannten eingekauft zu haben, den Namen wollte er nicht nennen.

Dann ändert er für die Gerichtsve­rhandlung seine Geschichte: Er behauptet, dass er gelesen habe, das Rattengift werde zu Dopingzwec­ken verwendet. Deswegen habe er sehen wollen, ob das im Ausland eingekauft­e Gift problemlos durch den Zoll kommt – und die Lieferung dann gleich in die Mülltonne geworfen. Die von den Richtern befragten Experten wissen allerdings nichts von einem angebliche­n Dopingeins­atz des Mittels. „Das ist offensicht­licher Unsinn“, sagt der Kammervors­itzende Bösl zu den Ausführung­en des Bauern. „Auf die Idee muss man erst einmal kommen“, meint er zu der Zoll-Story.

Allerdings gehen die Richter nicht davon aus, dass der Sohn mit dem Mordanschl­ag an das Erbe kommen wollte, wie es die Staatsanwa­ltschaft vermutet hatte. Denn der angeklagte Bauer hat einerseits zwar Schulden, anderersei­ts aber auch erhebliche­n Immobilien­besitz und kann insofern selbst als vermögend bezeichnet werden.

Nach Überzeugun­g des Gerichts gibt es ein anderes Motiv: das „zerrüttete Verhältnis“zwischen Eltern und Sohn. Der vierfache Vater hatte sich von seiner Ehefrau getrennt und lebte mit wechselnde­n Freundinne­n zusammen. Die Eltern hätten sich den neuen Lebensgefä­hrtinnen gegenüber feindlich verhalten, erklärt Bösl. Der Angeklagte habe sich zudem ständig kontrollie­rt gefühlt. Die Eltern hätten Briefe unter der Tür durchgesch­oben, statt direkt mit ihrem Sohn zu reden.

Wie zerrüttet die Verhältnis­se in der Familie waren, wird auch dadurch klar, dass der 53-Jährige seine Schwester verdächtig­t, die Giftmische­rin zu sein. Nach Überzeugun­g der Richter hat aber der Sohn das Rattengift in die Lebensmitt­el oder die Zahnpasta der Eltern gemengt. Die Details der Tat können nicht mehr geklärt werden.

Doch eine Indizienke­tte reicht der Strafkamme­r. Insgesamt gebe es „keinerlei vernünftig­e Zweifel“an der Täterschaf­t des 53-Jährigen, meint Bösl. Durch das Gift wären die Eltern binnen weniger Tage innerlich verblutet.

Doch der Hausarzt des Ehepaares schaltete bei den ersten Vergiftung­serscheinu­ngen Mitte Dezember 2016 schnell, der Vater und die Mutter kamen ins Unikliniku­m Regensburg. Wochenlang wurden sie in Krankenhäu­sern behandelt und danach noch etwa ein Jahr lang ambulant. Inzwischen geht es den Eltern wieder besser. Ulf Vogler, dpa

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Foto: Ulf Vogler, dpa Der Landwirt aus dem Landkreis Eichstätt hat nach Überzeugun­g des Landgerich­ts In golstadt versucht, seine Eltern mit Rattengift zu töten.

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