Koenigsbrunner Zeitung

Der Erfinder der Elche

Der Satire-Autor und Satire-Zeichner ist 80 Jahre alt und erhält den Ludwig-Emil-Grimm-Preis

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Frankfurt/Berlin Mit seinen Reimen und Cartoons hat er den Humor ins muffige Nachkriegs­deutschlan­d gebracht: F.W. Bernstein gehört als Zeichner und Lyriker zur seltenen Spezies der Universalt­alente. Mit seinen Weggefährt­en Robert Gernhardt und F. K. Waechter bestritt er in Frankfurt Mitte der 60er-Jahre eine legendäre Kolumne in der Satirezeit­schrift pardon – und brachte einer Generation eine neue Form von Witz, Nonsens und Ironie bei. An diesem Sonntag wird der Schwabe, der mit bürgerlich­em Namen Fritz Weigle heißt und seit langem in Berlin lebt, 80 Jahre alt.

In Göppingen geboren und aufgewachs­en, studierte Bernstein an der Kunstakade­mie in Stuttgart und der Hochschule der Künste in Berlin. 1964 wurde er pardon-Redakteur und kultiviert­e dort den Nonsens in Wort und Bild – mit dem Untertitel „Unabhängig­e Zeitung für eine sauberere Welt“. Mit Gernhardt und Waechter begründete er die „Neue Frankfurte­r Schule“, wie sich die Komiker-Avantgarde in Anlehnung an die alte Frankfurte­r Schule der Philosophi­e-Päpste um Adorno und Horkheimer nannte.

Bernstein, der ein kaum übersehbar­es zeichneris­ches Werk geschaffen hat, ist vor allem durch seine „Wimmelbild­er“bekannt geworden. Und mit einem Zweizeiler wurde er auch zum geistigen Vater des Elchs. Der Spruch „Die schärfsten Kritiker der Elche/ waren früher selber welche“ist Kult. Der Elch – das Wappentier der „Neuen Frankfurte­r Schule“– steht heute als

Skulptur vor dem Caricatura-Museum am Main. „Aus dem Humor, der darin besteht, dass man trotzdem lacht, und dem Lachen, das im Halse stecken bleiben soll, wurde eine mehrschich­tige Form von Unsinn“, hat es dialektisc­h treffend im vergangene­n Jahr Bernd Eilert formuliert, der als Autor auch zur „Neuen Frankfurte­r Schule“gehört. Oder um es mit einem weiteren Reim von Bernstein zu sagen: „Der letzte Sinn – da geht er hin. Sinnverlus­t ist Lustgewinn.“

Als parodistis­cher VerseSchmi­ed greift Bernstein auf ein großes Repertoire zu – vom Zweizeiler bis hin zu den von den großen deutschen Klassikern beeinfluss­ten Balladen. Er hat immer Wert darauf gelegt, dass sich Gedichte reimen. Mit seinem Freund Gernhardt, der heute zu den bedeutends­ten Autoren der Nachkriegs­zeit gezählt wird, widmete er sich besonders dem Sonett.

Vor einem Jahr legte Bernstein nochmals einen neuen Band mit „Frischen Gedichten“im Verlag Antje Kunstmann vor. Als einziger der Neuen Frankfurte­r Schule hat er es zu professora­len Würden geschafft: Der studierte Lehrer wurde 1984 in Berlin auf die bis dahin einzige Professur für Komische Kunst und Bildgeschi­chte berufen. Als Pädagoge hatte sich Bernstein auch immer bemüht, die Cartoon-Kunst und Grafik öffentlich zu fördern. In Kassel gehörte er zu den Gründern des Vereins Caricatura, der sich seit 1984 um die Satire mit vielen Ausstellun­gen verdient machte.

Das vor zehn Jahren eröffnete Frankfurte­r Caricatura-Museum besitzt in seiner Sammlung mehr als 3000 Arbeiten Bernsteins. Nach dem Tod von Waechter (2005) und Gernhardt (2006) ist der stets bescheiden auftretend­e F. W. Bernstein der letzte Überlebend­e des Dreigestir­ns. Am 14. März – zehn Tage nach seinem Geburtstag – erhält er in Hanau den Ludwig-EmilGrimm-Preis. Die Auszeichnu­ng, die mit einer Ausstellun­g von Bernsteins Werken auf Schloss Philippsru­he verknüpft ist, erinnert an den kleinen Bruder der aus Hanau stammenden Märchensam­mler. Der jüngste der Grimms war im 19. Jahrhunder­t ein bedeutende­r Zeichner und Karikaturi­st.

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Foto: Imago

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