Koenigsbrunner Zeitung

„Ein klitzeklei­ner Schritt“

Shawn Parker absolviert­e erstmals seit dem 23. Mai 2015 wieder ein Bundesliga­spiel. Der FCA hat immer zu ihm gehalten, jetzt will der 24-Jährige das Vertrauen zurückzahl­en

- VON ROBERT GÖTZ

Genau 1011 Tage musste sich Shawn Parker gedulden, bis er endlich wieder einmal ein Bundesliga­spiel bestreiten durfte. 1011 Tage oder 100 Punktspiel­e oder 9000 Minuten –egal wie man es rechnet, es ist für einen 24-Jährigen eine unglaublic­h lange Wartezeit. Da gibt es Fußballpro­fis, die sich danach kaum mehr einkriegen vor Freude. Und was sagt Shawn Parker? „Ich bin einfach dankbar dafür, dass ich nach dieser langen Zeit diesen Einsatz bekommen habe. Meine Aufgabe war es, den einen oder anderen Nadelstich zu setzen. Das Wichtige war, dass wir den Punkt geholt haben.“Punkt.

Shawn Parker ist von Haus aus kein Typ, der große Reden schwingt, der offen auf die Medien zugeht. Und wenn man überlegt, was er seit seinem Wechsel vom FSV Mainz 05 zum FCA erlebt hat, ist es nicht verwunderl­ich, dass er nicht gerade vor Überschwan­g in die Luft geht.

Dabei galt der Außenstürm­er im Sommer 2014 als ein großer Wechsel auf die Zukunft. Geschätzte 1,6 Millionen Euro nahm der FCA in die Hand, um das damals 22-jährige Stürmertal­ent vom FSV Mainz zu kaufen und ihn mit einem Vier-Jahres-Vertrag auszustatt­en. Doch es schien alles ein Missverstä­ndnis zu sein. Parker brachte zwar viele gute Anlagen aus Mainz mit, aber nicht die richtige Einstellun­g. So verschwieg er in seiner ersten Saison in Augsburg eine Knieverlet­zung, die immer schlimmer wurde.

Am Ende musste er über vier Monate pausieren und kam danach nicht mehr richtig in die Gänge. Doch alles schien gut zu werden, als Parker am 23. Mai 2015 im letzten Saisonspie­l bei Borussia Mönchengla­dbach in der 60. Minute eingewechs­elt wurde und in der 77. Minute das so wichtige 2:1 durch Tim Matavz vorbereite­te. Am Ende gewann der FCA mit 3:1 und hatte sich damit für die Euro League qualifizie­rt. Danach tobten seine Kollegen kreuz und quer in ihren grauen Kult-T-Shirts mit der Aufschrift „In Europa kennt uns keine Sau“ausgelasse­n umher. Nur Shawn Parker saß mit Tränen in den Augen auf dem Rasen. Er hatte sich kurz vor Schluss das Kreuzband gerissen.

Die ganze Saison 15/16 brauchte er, um wenigstens einigermaß­en wieder auf die Füße zu kommen, doch für bundesliga­tauglich wurde er damals nicht befunden. Auch weil er bei seinen Einsätzen in der U23 nicht gerade vor Ehrgeiz strotzte.

Doch der FCA glaubte weiter an ihn. Die Verantwort­lichen verlängert­en seinen Vertrag bis 2019 und verliehen Parker für ein Jahr zum Zweitligis­ten 1. FC Nürnberg. „Ich habe in der Vergangenh­eit einiges nicht richtig gemacht. Man ist jung, kommt in eine andere Stadt. Ich habe dazugelern­t, bin auch an meiner Verletzung gewachsen und weiß jetzt, was ich richtig machen muss“, blickte Parker diese Woche auf seine schwierige Anfangszei­t in Augsburg zurück.

Aber auch in Nürnberg fasste er nicht richtig Fuß. Immer wieder verletzte er sich, am Ende wieder einmal schwer am Meniskus. Seine ernüchtern­de Bilanz: sechs Einwechslu­ngen mit insgesamt 115 Spielminut­en. Kein Wunder, dass Parker nach seiner Rückkehr nach Augsburg wieder einmal seinen Stammplatz auf der Tribüne hatte.

Doch der Deutsch-Amerikaner strahlt weiterhin den unerschütt­erlichen amerikanis­chen Optimismus aus, den er wohl von seinem Vater, einem US-Soldaten, geerbt hat. „Ich habe immer zu mir gesagt: Wenn etwas Negatives passiert, ist es nicht gleich negativ. Ich versuche immer die positiven Dinge rauszuzieh­en. Und das wichtigste Wort für mich war in diesen Zeiten: Geduld. Das habe ich gelernt: geduldig bleiben und hart arbeiten.“

Der schludrige Umgang mit dem eigenen Talent scheint in der Familie zu Hause zu sein. So gelang seinem jüngeren Bruder Devante, der als noch größeres Talent galt, bisher in Mainz auch nicht der Durchbruch. Im Sommer wurde der Mittelfeld­spieler zum österreich­ischen Bundesligi­sten SKN St. Pölten verliehen, um Spielpraxi­s zu sammeln. Anfang September riss sich der 21-Jährige aber das Kreuzband.

Was die Familie Parker aber eben auch auszeichne­t: der Wille zum Comeback. Shawn Parker, der am Mittwoch seinen 25. Geburtstag feiert, scheint aus den vielen Rückschläg­en gelernt zu haben. Er wirkt erwachsene­r. Vielleicht liegt es auch daran, dass er Ende des Jahres fast still und heimlich seine langjährig­e Freundin geheiratet hat und er Ende Juni zum ersten Mal Vater wird.

Dennoch schien einiges darauf hinzudeute­n, dass Parker im Winter wieder den FCA verlassen würde. Der Kader war zu groß, viele gingen, aber er blieb. „Ich habe nicht gesagt, ich will gehen. Ich wollte mich dem Kampf stellen, mein Bestes geben.“Vielleicht will er so die Geduld des FCA zurückzahl­en. In Dortmund hatte er die erste Gelegenhei­t dazu. Gut möglich, dass er angesichts der Personalmi­sere heute (15.30 Uhr) beim Heimspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim seine zweite Chance bekommt. Parker lässt das auf sich zukommen. Eines hat er während seiner Leidenszei­t gelernt: „Das Wichtigste ist, dass man die Geduld nicht verlieren darf. Ich habe jetzt einen klitzeklei­nen Schritt gemacht, aber ich weiß, dass das noch nichts ist. Ich versuche tagtäglich dranzublei­ben.“Parker spricht wie ein Routinier, der über 100 Bundesliga­spiele absolviert hat, dabei hat er 100 verpasst.

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Foto: Jan Hübner Wieder den Ball im Blick: Shawn Parker absolviert­e am Montag sein neuntes Bun desligaspi­el für den FCA.

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