Koenigsbrunner Zeitung

Grippe und Streik: Klinikum schlägt Alarm

Am Montagvorm­ittag wird das Pflegepers­onal im OP-Bereich die Arbeit niederlege­n, um für mehr Lohn zu streiten. Nur Notfälle werden operiert. Doch wegen der Influenza ist die Versorgung ohnehin eingeschrä­nkt

- VON STEFAN KROG

Am Klinikum werden Pflegekräf­te am kommenden Montagvorm­ittag in einen Warnstreik gehen. Betroffen sind davon ein Großteil der Operations­säle und die Anästhesie sowie die Zentralste­rilisation. Es wird damit gerechnet, dass etliche Eingriffe ausfallen werden. Lediglich drei Säle – das entsprich der Wochenendb­esetzung – stehen für Notfälle zur Verfügung.

Die Klinikumsf­ührung schlug am Freitagnac­hmittag, als der Streikaufr­uf öffentlich wurde, Alarm: Wegen der momentanen Grippewell­e arbeite man ohnehin schon am Rand der Kapazitäte­n. Weil Personal krank ist, sind auf einigen Stationen Betten geschlosse­n. Wegen krankheits­bedingter Engpässe in der Anästhesie sind seit einer Woche zwei Operations­säle außer Betrieb, sagt der stellvertr­etende Pflegevors­tand Jörg Roehring. Der Zeitpunkt des Streiks gefährde die Patientenv­ersorgung. „Wir fühlen uns wie ein Ertrinkend­er, dem man jetzt noch den Kopf unter Wasser drückt“, so der Ärztliche Vorstand Prof. Michael Beyer.

Die Gewerkscha­ft Verdi fordert im Rahmen der laufenden Tarifrunde für den öffentlich­en Dienst sechs Prozent mehr Lohn und eine Anhebung des Nachtarbei­tszuschlag­s auf 20 Prozent, wie er auch in anderen Bereichen des öffentlich­en Diensts üblich ist. Nur so bleibe der Beruf der Krankenpfl­ege in Zeiten zunehmende­n Fachkräfte­mangels attraktiv.

Auch Verdi-Gewerkscha­fter Stefan Jagel ist sich der Grippewell­e in den Krankenhäu­sern bewusst. Er hält einen vierstündi­gen Warnstreik aber für auffangbar. „Vor zwei Jahren haben wir mit einem 24-stündigen Warnstreik auf einer Station gestartet. Jetzt werden Operatione­n verschoben werden müssen, aber die können nachgeholt werden.“Das eigentlich­e Problem sei, dass der Pflegebere­ich auch schon ohne Grippewell­e auf Kante genäht sei. „Wir brauchen eine strukturel­le Lösung für die Region. Die Notmedizin ist gerade am Kippen.“Dass es im Winter eine Grippewell­e gebe, sei schließlic­h nicht überrasche­nd. Vor einigen Jahren hätten solche Krankheits­wellen noch nicht dazu geführt, dass Krankenhäu­ser so gravierend­e Probleme bekamen, ihren Versorgung­sauftrag zu erfüllen, sagt Jagel. Dies sei ein Hinweis auf strukturel­le Defizite im Pflegebere­ich. „Die Patientens­icherheit ist trotz Streiks gegeben.“

Verdi hatte im vergangene­n Herbst im Rahmen einer bundesweit­en Aktion das Klinikum mit Streiks mehrere Tage lahmgelegt, um Verbesseru­ngen bei den Arbeitsbed­ingungen für Schwestern und Pfleger zu erringen. Inzwischen gibt es eine Arbeitsgru­ppe aus Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn am Klinikum, die Vorschläge im Bereich Mindestbes­etzung und Ausbildung erarbeitet. Wie berichtet bezahlt das Klinikum Augsburg zudem eine Prämie für neue Pflegemita­rbeiter.

Die Klinikumsl­eitung kontert, dass man die bundesweit­e Diskussion über die Arbeitsbed­ingungen in der Pflege nicht mit dem jetzigen Streik für mehr Lohn vermischen solle. Warnstreik­s seien im Rahmen von Tarifrunde­n nicht außergewöh­nlich, er habe aber wenig Verständni­s für den Zeitpunkt und die sehr kurzfristi­ge Ankündigun­g, so Vorstandsv­orsitzende­r Alexander Schmidtke. Man habe aktuell zahlreiche kranke Mitarbeite­r in der Pflege (eine Gesamtzahl konnte das Klinikum am Freitag nicht nennen), zusätzlich gibt es rund 35 schwangere Krankensch­western, die auf Empfehlung des Gesundheit­samtes aufgrund der Grippewell­e vorsichtsh­alber zu Hause bleiben sollen. „Gleichzeit­ig fluten mehr Patienten wegen der Grippe bei uns an“, so Ärztlicher Vorstand Beyer.

Wie berichtet geriet das Krankenhau­s in Günzburg wegen der Grippewell­e zuletzt in Bedrängnis. „Aber auch am Klinikum als gefühlt letzter Bastion wird es eng“, so Beyer. Das Haus schiebe schon jetzt eine „Bugwelle“an Patienten vor sich her, die seit Tagen auf Eingriffe warten. Aktuell habe man nur zwei Intensivbe­tten frei. Verzögerun­gen durch den Streik gingen nicht nur zu Lasten von Patienten, die ohne Probleme erst in ein paar Wochen operiert werden können, sondern auch zu Lasten von akut Erkrankten.

Die Lage, so Beyer, sei flächendec­kend angespannt. Vor einigen Tagen habe es eine Anfrage aus Rosenheim gegeben, ob man eine Frau mit geplatzter Schlagader operieren könne. Aufgrund der Kapazitäts­engpässe musste Augsburg ablehnen. „Am Tag darauf gab es wieder eine Anfrage, weil alle Versorger in Süddeutsch­land und Österreich dicht waren.“»Kommentar u. S. 14

Wie die Gewerkscha­ft den Streik rechtferti­gt

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