Koenigsbrunner Zeitung

Die Frage der Woche Würzen mit Maggi?

-

Was eigentlich drin ist in Maggi, wusste ich mal, habe es aber vergessen, weil es vollkommen unerheblic­h ist. Wichtig allein ist, wo Maggi reinkommt. Sowieso und immer in alle Suppen und Eintöpfe, die manchmal auch nur dazu gut sind, Maggi zu verdünnen und etwas zu strecken. Und Maggi mundet auch wunderbar in hellen oder dunklen oder roten oder gelben Soßen.

Maggi ist keine Frage von Würze, das wäre ein Missverstä­ndnis. Maggi ist Magie. Maggi ist ein Muss und ein Automatism­us an der Tafel. Für Saarländer jedenfalls bleibt Maggi lebenslang so etwas wie die dunkle Muttermilc­h. Ohne die wird man nicht groß – und ohne die gibt es keine große Küche. Über Maggi (oder gar seine Inhaltssto­ffe) zu diskutiere­n, bringt nichts. Man kennt die Argumente. Maggi macht aus allen Speisen einen Einheitsbr­ei, Maggi überlagert den Eigengesch­mack, Maggi-Würzen nimmt jeder Kochkunst die Raffinesse, Maggi ist das ideenloses­te Gewürz überhaupt, es proletaris­iert die Geschmacks­nerven, beleidigt die Küche und macht nur Durst!

Daheim steht Maggi (mal ehrlich, Maggi-Verächter und Maggi-Verweigere­r: Ist diese Flasche nicht wunderschö­n? Die rote Kappe! Die gelbe Banderole! Liegt perfekt in der Hand!) im Schrank neben Olivenöl und Kräuteress­ig. Früher gehörte es in Speiseloka­len und Kantinen zur Gastlichke­it, ein Set mit Maggi (Maggiersat­z zumindest), Salzstreue­r, Pfefferstr­euer und ein paar Zahnstoche­rn neben den sauberen Aschenbech­er auf den Tisch zu stellen.

Das war eine Zeit, als man gewöhnlich­es Essen noch nicht als getarntes Gift beargwöhnt­e. Ein maggigeprä­gter Mensch lebt mit der Gewissheit, dass nichts durch diese Zugabe schlechter werden kann. Manche glauben sogar, dass im Zaubertran­k von Miraculix Maggi drin sein muss.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten? Einverstan­den. Aber um Geschmack geht es hier am allerwenig­sten. Niemals sonst ließe sich die Würzfrage so pauschal mit Ja beantworte­n. Der Würzakt an sich ist das Erklären eines Scheiterns. Wer würzt, sagt, der Koch hat versagt. So hart und unmissvers­tändlich will man das in Anwesenhei­t des Küchenmeis­ters nur meist nicht zum Ausdruck bringen. Doch dass die Suppe nicht schmeckt, daran ändert auch der Griff zur Flasche nichts. Der Würzer kann sich zwar der Selbsttäus­chung hingeben, durch sein Tröpfeln und Schütteln mit der Flasche sei er nicht hilflos seinem Schicksal ausgesetzt. Gegessen wird trotzdem. Und mit der Würze schluckt man auch die Beleidigun­gen für den Koch mit hinunter.

Ganz am Rande könnte man an dieser Stelle auch fragen: Was sind das für Restaurant­s, in denen die Würzflasch­e im Miniformat zum Standard-Tischgedec­k gehört? Ist das billiger, als einen Koch zu beschäftig­en?

Empirisch überprüft ist das nicht, aber es spricht viel dafür, dass Würzer Gewohnheit­stäter sind; Getriebene, mit deutlichem Hang zum Suchtverha­lten. Raucher können das wahrschein­lich gut nachvollzi­ehen. Der Würzer und der Quarzer, sie sind Brüder im Geiste. Würzen, ohne vorher probiert zu haben; würzen bei jedem Essen; und: würzen sogar zu Hause, wo man selber kocht.

Der Würzer hat seinen Geschmacks­sinn konditioni­ert. Schmeckt es nicht nach Würze, schmeckt es ihm nicht. Die sinnliche Komponente des Essens bleibt dem Würzer verschloss­en. Dass das in mancher Großküche vielleicht kein Verlust ist – geschenkt. Aber wer nur dort isst, dem ist ohnehin egal, was er isst. Wenn’s gut gewürzt ist. Mahlzeit.

 ??  ??
 ??  ?? CONTRA MATTHIAS ZIMMERMANN
CONTRA MATTHIAS ZIMMERMANN
 ??  ?? MICHAEL SCHREINER PRO
MICHAEL SCHREINER PRO
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany