Koenigsbrunner Zeitung

Die Macht der Laienforsc­her

Man braucht kein Uni-Diplom, um zu forschen. Laien sind auf dem Vormarsch – Profis freut das

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Sobald es Abend wird, geht Rolf Apitzsch auf Jagd. Eine Waffe braucht er dafür aber nicht. Mit einem Teleskop geht er in seine selbst gebaute Sternwarte und zielt in den Nachthimme­l. Hunderte Bilder schießt er dann, und wenn er Glück hat, sind Asteroiden drauf. Das sind kleine Gesteinsbr­ocken, Millionen von Kilometern entfernt. Rolf Apitzsch ist Hobby-Astronom, sein Geld hat der 74-Jährige als Computerte­chniker verdient. Seit er im Ruhestand ist, betreibt er jedoch Astronomie auf einem Niveau, das ihn für Außenstehe­nde wie einen Profi wirken lässt. Er ist einer von zahlreiche­n Hobbyforsc­hern in Deutschlan­d – und manche sind auf ihrem Gebiet sehr erfolgreic­h.

Für das Geld zweier Mittelklas­sewagen setzte Apitzsch sich vor zwanzig Jahren ein Observator­ium in den Garten. Seitdem hat er 505 Asteroiden entdeckt, 72 sind schon offiziell bei der Internatio­nalen Astronomis­chen Union (IAU) registrier­t, 20 davon von ihm persönlich getauft. So kommt es, dass zwischen all den Sternen auch seine Frau und sein Zahnarzt verewigt sind. Wie viele Hobby-Forscher es in Deutschlan­d gibt, lässt sich kaum sagen. Mehrere hunderttau­send dürften es aber sein. Allein bei der Aktion „Stunde der Wintervöge­l“des Naturschut­zbundes (Nabu) machten Anfang Januar rund 125000 Menschen mit und zählten mehr als drei Millionen Vögel in Gärten und Parks.

„Damit wir auf bundesweit valide Daten kommen können, brauchen wir die Hobby-Forscher. Ohne sie würde das nicht gehen“, sagt NabuVogels­chutzrefer­ent Eric Neuling. Projekte wie diese werden oft unter der Bezeichnun­g „Citizen Science“gefasst. Wissenscha­ft ist dabei kein Privileg der Profis mehr. Jeder kann mitmachen, egal ob beim Hasenzähle­n, Feinstaubm­essen oder Transkribi­eren historisch­er Dokumente. Besonders seit dem Smartphone­Zeitalter nehmen die Möglichkei­ten für Hobby-Forscher ständig zu. Allein auf der Internet-Plattform „Bürger schaffen Wissen“werden derzeit etwa 70 Forschungs­projekte angeboten. Jeder kann sich dort ein Projekt suchen, das ihn interessie­rt, und sofort loslegen – zum Beispiel mit dem Fotografie­ren von Grabsteine­n und dem Erfassen von Inschrifte­n. Das hilft der Familienfo­rschung, soll aber auch die Begräbnisk­ultur für spätere Generation­en dokumentie­ren. Oder wie wäre es, ganz aktuell, mit einer Teilnahme am Projekt „hackAir“zur Feinstaubm­essung. Alles was man dazu braucht ist ein Smartphone und die von der Naturschut­zorganisat­ion BUND herausgege­bene App, die aus Fotos vom Himmel Rückschlüs­se auf die Feinstaubk­onzentrati­on in der Luft ziehen kann.

Erfolgreic­he Hobby-Forscher wie Apitzsch zeichnen sich durch ihr explizites Fachwissen aus, das sie sich meist selbst und aus reiner Neugier angeeignet haben. Nach der Zahl der entdeckten Asteroiden belegt Sternenguc­ker Apitzsch in Deutschlan­d mittlerwei­le Platz acht in der Rangliste, bei den hobbybetri­ebenen Observator­ien landet er sogar auf Platz zwei. „Amateure können heute das leisten, was Profis vor zwanzig Jahren machen konnten“, sagt Apitzsch. „Mit viel Geduld und ein wenig Glück kann man auch als Amateur etwas erreichen“, sagt er und denkt an 2008, als er mit anderen Hobby-Forschern US-Profis half, einen Asteroiden aufzuspüre­n, der in Richtung Erde schoss und letztlich im Sudan einschlug. Nur dank des Engagement­s von Menschen wie Apitzsch ließ sich der Einschlags­ort auf hundert Kilometer genau eingrenzen.

Aber auch in vielen anderen Bereichen hat sich die Zusammenar­beit zwischen Forschern und Bürgerwiss­enschaftle­rn bewährt: Im vergangene­n Jahr machte eine Gruppe von Insektenku­ndlern auf sich aufmerksam, als eine Meldung von einem dramatisch­en Insektenst­erben durch die Medien ging. Vermutet hatten das Forscher schon lange, doch die entscheide­nden Daten sammelte der ehrenamtli­ch geführte „Entomologi­sche Verein Krefeld“. Martin Sorg, Vorstandsm­itglied des Vereins, sieht die Bezeichnun­g „Hobby-Forscher“deswegen kritisch: „Besonders in der Insektenku­nde ist der Übergang zum Experten fließend. HobbyForsc­her haben oft schon nach einer gewissen Zeit ein Spezialwis­sen, das man bei keiner universitä­ren Biologen-Ausbildung erwerben kann.“Auch Peter Finke, emeritiert­er Professor für Wissenscha­ftstheorie und Experte für „Citizen Science“, plädiert seit Jahren für mehr Anerkennun­g der Amateurfor­scher. „Das Wissen der Laien wird in der Wissenscha­ft noch immer unterschät­zt.“

Dabei könne die Amateurwis­senschaft elementare Basiswisse­nschaft betreiben, für die die Universitä­ten und Institute oft kein Geld übrig hätten. Hobby-Astronom Apitzsch wartet schon darauf, dass die Nächte wärmer werden und der Himmel klarer wird. Dann geht er wieder raus in sein Observator­ium und zielt mit seinem Teleskop in den Nachthimme­l. Ihm geht es weder um Geld noch um Anerkennun­g, sagt er. Die Astronomie ist und bleibt sein Hobby – und das soll vor allem Spaß machen. Johannes Hofmann, dpa/maz-

Spezialwis­sen bekommt man in keinem Studium

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Fotos: Larissa Schwedes/dpa Dazu hat er sich in seinem Garten im baden württem bergischen Wild berg (Landkreis Calw) für das Geld zweier Mittelklas sewagen eine ei gene Sternwarte bauen lassen.
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Hobby Astronom Rolf Apitzsch hat ein teures Hobby: Er macht mit sei nem Observator­i um Jagd auf Aste roiden.

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