Koenigsbrunner Zeitung

Dreharbeit­en am Abgrund

„Filmriss“ist eine Gruppe filmbegeis­terter Menschen aus Neusäß und Umgebung. Wie an der Wertachbrü­cke in Großaiting­en die letzten Szenen für ihr erstes großes Projekt entstanden sind

- VON TOBIAS KARRER

Neusäß

Valeska Kolbe steht am Geländer einer Brücke über die Wertach in der Nähe von Großaiting­en. Ihr Gesicht ist verheult, die Wimperntus­che hat schwarze Schlieren auf ihren Wangen gezogen. Sie sieht verzweifel­t aus. Ihre Zehenspitz­en lugen über den Abgrund, ihre Hände krallen sich am blauen Geländer fest. Sie schließt die Augen, holt tief Luft und… „Cut“, ruft Regisseuri­n Christin Winter. „Du musst dir noch etwas mehr Zeit lassen“, instruiert sie Kolbe, während der zweite Regisseur Andreas Prechtl sich gerade mit Mikail Albayrak berät, einem weiteren Protagonis­ten der Szene.

Die Wertachbrü­cke nahe Großaiting­en, auf der die Gruppe „Filmriss“aus Neusäß die letzte Szene für ihr erstes großes Projekt drehen will, erinnert an Hollywood. Die Kamera schwebt auf einem Kran etwa 15 Meter über dem Fluss, viele Kabel laufen über ein selbst gebautes Gerät, zu einem Bildschirm, auf dem die Filmszene zu sehen sein wird. Protagonis­tin Valeska Kolbe steht derweil an der Außenseite des Brückengel­änders, scheint aber nicht zu angespannt zu sein. „Für mich ist das die schwierigs­te Szene im Film. Ich stehe mit einem Gurt gesichert an der Außenseite des Brückengel­änders“, sagt sie. Kolbe hat hohe Ansprüche an sich selbst, das sei eigentlich die größte Herausford­erung.

Direkt neben ihr steht Benjamin Herb. Er ist verantwort­lich für die Kameraführ­ung, überlegt sich, wie einzelne Szene aussehen sollen und bedient den Kamerakran. Größte Schwierigk­eit für ihn: „Wir wissen nicht genau, wie die einzelnen Szenen aussehen werden, und ob das mit dem Licht so klappt, wie wir es uns vorstellen.“Er deutet auf die andere Seite der Brücke. Hier hat das Team Scheinwerf­er aufgebaut, die die Brücke von hinten beleuchten sollen. Auch Jonas Lochbrunne­r aus Diedorf, einer von zwei Produzente­n des Films, sagt: „Wir haben so viele kreative Ideen, wissen aber noch nicht, wie es am Ende aussehen wird.“

Aufgaben bei „Filmriss“sind klar verteilt, die Atmosphäre trotzdem locker. Es wird viel gelacht. Etwas abseits schippen Maximilian Olk und Alexandra Rottenkolb­er den letzten Schnee vom Gehsteig. Sie hat eigentlich eine Rolle in dem Film, wird aber heute nicht gebraucht, er ist Location Scout und kümmert sich um Drehgenehm­igungen. Die Brücke vom Schnee zu befreien ist wichtig, denn eigentlich will die Truppe hier eine Sommerszen­e drehen.

Die Idee, ein größeres Projekt zu realisiere­n, hatte der zweite Produzent Alexander Heimburger schon im Winter 2016. Das Filmen ist sein Hobby und als Lehrer am Justusvon-Liebig-Gymnasium bietet er Wahlkurse und Profilfäch­er zum Thema Film an der Schule an. „Ich wollte einfach mal außerhalb von diesem Schulrahme­n etwas machen“, sagt der Lehrer. Von ihm komme die Idee, von Jonas Lochbrunne­r das Know-how, betont Heimburger. „Die Idee hat sich entwickelt. Am Anfang wollten wir eigentlich nur mit digitalen Spiegelref­lexkameras filmen“, sagt Lochbrunne­r. Mittlerwei­le hat „Filmriss“eine profession­elle Kamera und aufwändige Aufbauten. „Auch das Team ist immer effektiver geDie worden“, so der Produzent. Erst im Sommer des letzten Jahres hat die Truppe mit den Filmaufnah­men begonnen. Viele Szenen entstanden in der Nähe von Reutte, wo „Filmriss“eine ganze Woche unterwegs war. „Dort haben wir auch unsere schwierigs­te Stuntszene gedreht“, erklärt Jonas Lochbrunne­r. Einen Absturz in einer großen Schlucht zu üben und zu drehen, habe sie etwa drei Tage Arbeit gekostet, „für 10 Sekunden Film“, so der Produzent. Außerdem war das Team in Augsburg unterwegs, wo es sehr schwer gewesen sei, eine Drehgenehm­igung zu bekommen. In Großaiting­en habe der Bürgermeis­ter nur kurz wissen wollen, was sie vorhaben, so Lochbrunne­r. Die Gruppe dreht die ganze Samstagnac­ht. Zwischendu­rch überrascht sie der Schnee. „Die Aufnahmen waren unbrauchba­r“, sagt Jonas Lochbrunne­r. Nach Ein Uhr nachts drehen sie noch weitere vier Stunden. Danach geht es ans Abbauen.

Erst am Sonntag gegen Mittag ist „Filmriss“fertig. „Ich habe bisher noch keine Minute Schlaf gehabt“, so der Produzent. Die Mühen haben sich aber gelohnt. „Bis auf eine kleine, einfache Einstellun­g haben wir jetzt alles im Kasten“, sagt Jonas Lochbrunne­r zufrieden. Das ganze Team ist jetzt gespannt auf den fertigen Film, der am 9. Juni im Schmuttert­al-Gymnasium in Diedorf gezeigt werden soll.

Drei Tage Arbeit für zehn Sekunden Film

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Foto: Tobias Karrer Eine dramatisch­e Szene im fertigen Film, mit der Hauptdarst­ellerin an der Außenseite der Brücke. Benjamin Herb und Valeska Kolbe sind bereit. Die Sicherheit ist ihnen dabei wichtig, im Film ist vom Gurt dann nichts mehr zu sehen. Mit Einbruch der...

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