Koenigsbrunner Zeitung

Der Aconcagua war nicht ihr Berg

Annette Kniffler und Christian Rottenegge­r sind wieder gesund aus Südamerika zurück, was aber keineswegs selbstvers­tändlich ist

- VON REINHOLD RADLOFF

Bobingen Eigentlich hätte Sommer sein sollen am Aconcagua in Südamerika. Doch weit gefehlt. Es schneite und stürmte wie verrückt, als Annette Kniffler und Christian Rottenegge­r sowie Viktor Reger die Besteigung des 6962 Meter hohen Bergs versuchten und lebensbedr­ohliche Probleme bekamen.

Es sollte einfach eine schöne neue Erfahrung an einem der Seven Summits werden. Der Aconcagua, in Südamerika an der chinesisch­en Grenze gelegen, ist bergsteige­risch keine besondere Herausford­erung, zumindest nicht für Christian Rottenegge­r, den erfahrenen Abenteurer, der seit Jahrzehnte­n in den höchsten Bergen der Welt mehr oder weniger zu Hause ist.

Der gebürtige Bobinger lebt inzwischen mit seiner Lebensgefä­hrtin Annette Kniffler in einem hunderte Jahre alten Bauernhaus in Halblech im Allgäu, das er, nachdem es Stück für Stück eingelager­t war, in mühevoller Kleinarbei­t selbst erneut aufgebaut hat. Nach dieser anstrengen­den Arbeit sehnte er sich wieder nach einer weiteren Bergerfahr­ung. Da kam ihm die Idee seines Freundes Viktor Reger gerade recht, den Aconcagua zu besteigen. Also machte sich das Trio auf nach Mendoza (in 400 Meter Höhe). Dort begannen allerdings schon die Probleme.

Die Zugangsfre­igaben für den Berg waren nicht nur schwierig zu bekommen, sondern auch mit 1100 Euro um ein Mehrfaches teurer als erwartet. Es folgte ein 200 Kilometer lange Fahrt bis zum Ausgangspu­nkt des Tracks und danach bei bestem Wetter ein dreitägige­r Marsch mit einem Lastenmuli bis ins Basislager, immer gegängelt von Rangern. „Wir liefen im Vakkas-Tal durch Savannen, Wüsten, riesige, fast endlose Dornbusch- und Kakteenfel­der. Das ganze Gebiet war total trocken, windig und schön, so Annette Kniffler. Krass waren die Temperatur­unterschie­de. In Mendoza hatte es 36 Grad plus, in Lager III 20 Grad minus.

Im Basislager auf 4200 Meter Höhe angekommen, staunte die kleine Gruppe nicht schlecht. „Dort warteten über hundert Bergsteige­r auf ihren Start. Es sah aus, wie in einer Kleinstadt. Es gab Burger-Buden, Internet-Shops, Chill-Out-Areas, Arzt-Stationen, Cafés, Bergsteige­rAgenturen, Räume mit heißen Duschen und mehr. Alles fühlte sich sehr touristisc­h an“, erzählt Rottenegge­r kopfschütt­elnd und fügt hinzu: „Da waren viele, die dort einfach nichts zu suchen hatten.“Spätestens dann war klar, dass die Drei nicht auf der Normal-, sondern auf einer Spezialrou­te, die weniger begangen ist, aufsteigen werden.

Vom touristisc­hen „Bereich“des Lagers hielten sich die Drei fern. „Wir ernährten uns lieber von unsren Päckchensu­ppen“, erzählt Rottenegge­r. An denen hat es sicherlich nicht gelegen, dass es Reger nicht gut ging und er für den Aufstieg passen musste. Bereits im Basislager schlug das Wetter, entgegen der Vorhersage, überrasche­nd um. Starker Wind zog auf. Man sah die Hand vor dem Auge nicht. Doch Rottenegge­r und Kniffler wollten die Höhenanpas­sung und den Aufstieg auf jeden Fall angreifen. Eingestell­t hatten sie sich auf eine relativ einfache Wanderung über einen mehr oder weniger steilen Schotterha­ng bis zum Gipfel.

Doch es kam Schnee, massenhaft Schnee, und dazu extrem viel Wind, ja ein Orkan. „Da der Aconcagua freistehen­d ist, pfeift es bei schlechtem Wetter dort mächtig“, so Rottenegge­r.

Höhenlager eins und zwei waren noch einigermaß­en erreichbar, Lager drei auf 6000 Metern Höhe artete dann in zehn Stunden quälenden Marsch aus. „Alles war plötzlich tief verschneit. Wir sahen keinen Weg, keinen Steg. Und der Sturm war so stark, dass wir uns kaum auf den Beinen halten konnten“, so Rottenegge­r.

Trotzdem bauten die beiden in Lager drei irgendwie in einer schmalen Scharte ihre Biwackscha­chtel auf, ohne dabei etwa zu sehen. Sie übernachte­ten dort oben bei schlimmste­n Bedingunge­n. „An Schlaf war nicht zudenken. Der Sturm zerrte schlimm an unserem Zelt. Außerdem warf es einen halben Meter Neuschnee her.“

Trotzdem: Kniffler und Rottenegge­r waren zumindest körperlich gut drauf, hofften auf Wetterbess­erung und einen Gipfelaufs­tieg. Doch die Hoffnung schwand morgens schnell. „Es wäre lebensgefä­hrlich gewesen weiterzuge­hen. Es war schon schwierig genug, bei diesen Bedingunge­n wieder ins Basislager zu finden. Der Abstieg hat uns wahnsinnig geschlauch­t“, erinnert sich Rottenegge­r, der diesen „Ausflug“zum höchsten Berg Amerikas als „eine interessan­te und ein trotzdem einmalige Erfahrung“beschreibt. „Der Himalaya gefällt mir besser.“Ob es ihn noch dieses Jahr wieder dorthin zieht? Mal sehen. Jedenfalls plant Rottenegge­r für den Herbst eine große Expedition zu den höchsten Bergen dieser Erde. »Kommentar

 ?? Fotos: Reinhold Radloff ?? Für Christian Rottenegge­r und Annette Kniffler sollte die Besteigung Aconcagua in Südamerika zu einer besonderen Erfahrung werden.
Fotos: Reinhold Radloff Für Christian Rottenegge­r und Annette Kniffler sollte die Besteigung Aconcagua in Südamerika zu einer besonderen Erfahrung werden.
 ??  ?? Bei seinem Vortrag berichtet Christian Rottenegge­r von den Strapazen.
Bei seinem Vortrag berichtet Christian Rottenegge­r von den Strapazen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany