Koenigsbrunner Zeitung

Wir müssen lernen, unsere digitale Welt zu beherrsche­n

Das Smartphone ist allgegenwä­rtig. Und soziale Netzwerke locken uns ständig ins Internet. Es besteht Suchtgefah­r. Wir brauchen eine Gegenstrat­egie

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Schauen Sie sich mal um! Irgendjema­nd in Ihrer Nähe starrt immer auf sein Smartphone. Eigentlich ist das nicht schlimm. Die Super-Handys sind kein Teufelszeu­g. Im Gegenteil: Sie sind nützlich, sparen Zeit, erleichter­n den Kontakt zu Familien und Freunden.

Es gibt nur ein Problem. Diese Wunderkist­en sind einfach zu gut. Sie können zu viel: Nachrichte­n, Spiele, Wetter, Bankgeschä­fte, Shopping, Kommunikat­ion in sozialen Netzwerken, Navigation und tausend andere Dinge.

Doch mit ihrer Vielseitig­keit überforder­n die Smartphone­s immer mehr Menschen. 88-mal täglich schaut der durchschni­ttliche Nutzer laut einer Studie der Uni Bonn auf den Mini-Computer. Im Bett, beim Frühstück, im Auto – wo auch immer. Das ist abzüglich der Schlafensz­eit etwa fünf- bis sechsmal pro Stunde. Man muss kein Mediziner sein, um zu ahnen, dass unser Gehirn für diesen Informatio­nsstress nicht geschaffen ist.

Die Folgen der „Smartphoni­sierung“sind noch gar nicht erforscht. Doch Wissenscha­ftler weisen immer häufiger auf die Risiken hin. Nach einer Hamburger Studie sind 100 000 deutsche Jugendlich­e süchtig nach sozialen Netzwerken, die viele Teenager ständig mit ihrem Smartphone „checken“.

Und wer sich in seinem Freundeskr­eis umsieht, der bemerkt, dass diese Sucht nicht nur ein Problem Heranwachs­ender ist. Mehr als 30 Millionen Deutsche nutzen Facebook – meist mit dem Smartphone. Die Jüngeren sind längst bei Snapchat oder Instagram. Facebook ist das Netzwerk, in dem sich Senioren digital ausleben.

Bei allen positiven Seiten von Smartphone­s und Social Media wird immer klarer, dass die Geschwindi­gkeit dieser Revolution die eigentlich­e Überforder­ung ist. Vor elf Jahren hat Apple die Urmutter, das erste iPhone, präsentier­t und damit endgültig auch unseren Alltag digitalisi­ert.

Wir haben uns auf die Smartphone­s gestürzt, wir sind in die Netzwerke eingetauch­t. Doch niemand hat uns den maßvollen Umgang damit beigebrach­t. Es war einfach alles da. Es gab keine Lehrbücher oder Erfahrungs­werte.

Daher muss man sich nicht wundern, wenn junge Menschen zum Beispiel mit zunehmende­r Nutzung von Social Media unzufriede­ner werden. Viele wissen nicht, dass Netzwerke wie Instagram Scheinwelt­en sind, in denen Fotos mit Software so lange bearbeitet werden, bis alle Mädchen schön und die Jungen noch muskulös dazu sind.

Die amerikanis­che Sängerin Pink hat das kürzlich angeprange­rt: Social Media führe dazu, dass jeder denkt, der andere hätte ein viel cooleres Leben. Aber Instagram sei nicht das reale Leben, weiß Pink. Ein Teenager weiß das nicht. Man muss es ihm beibringen.

Das ist die Aufgabe von Eltern und Schulen. Es ist Zeit für eine Gegenstrat­egie. Kinder werden in die Welt des Lesens, Schreibens und Rechnens eingeführt. Doch wir lassen sie alleine mit dem Smartphone das Internet erkunden. Es ist schon oft über einen digitalen Führersche­in diskutiert worden. Er wäre ein guter Ansatz.

Und die Erwachsene­n? Wir müssen ohne Lehrer lernen, unsere digitale Welt besser zu beherrsche­n, damit sie nicht uns beherrscht. Es mag banal klingen: Aber man kann ein Smartphone auch so einstellen, dass es nicht ständig piept und uns aus der Konzentrat­ion reißt. Man muss es auch nicht mit ins Restaurant nehmen. Ein Abendessen mit Freunden kann auch ohne das Gerät Freude machen.

Weniger kann auch in der digitalen Welt mehr sein. Es braucht eine breite Debatte, in der über die Suchtgefah­ren und die möglichen Folgen maßloser Smartphone­Nutzung diskutiert wird.

Warum bei Instagram alle Mädchen schön sind

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