Koenigsbrunner Zeitung

Die Frau mit den Atomkügelc­hen

Jung, weiblich und aus NRW: Das waren drei gewichtige Argumente dafür, dass Svenja Schulze nun Ministerin wird. Doch es gibt auch noch andere Gründe

- Martin Ferber

Wenn da nur nicht die Sache mit den Atomkügelc­hen wäre. Wie zähklebrig­es Pech haftet die überaus peinliche Geschichte an der 49-jährigen Svenja Schulze, die als Nachfolger­in von Barbara Hendricks neue Umweltmini­sterin in Berlin wird.

2011 war es. Svenja Schulze aus Münster war erst ein knappes Jahr Ministerin für Innovation, Wissenscha­ft und Forschung der neuen rotgrünen nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung von Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft, da erweckte sie nach der Atomkatast­rophe von Fukushima den Eindruck, als seien

2285 Brenneleme­nte-Kugeln aus dem Zwischenla­ger am Forschungs­reaktor Jülich spurlos verschwund­en. Es könnten „keine abschließe­nden Aussagen“getroffen werden, wo der Atommüll gelandet sei, schrieb sie.

Doch das war falsch. Die Kügelchen waren da. Es folgten Rücktritts­forderunge­n der Opposition, die ihr Panikmache vorwarfen, und ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags, in dem Schulze öffentlich eingestehe­n musste, dass die Atomkügelc­hen nicht verloren seien. Ihr Amt durfte sie dennoch behalten.

Nun wird Svenja Schulze Ministerin für Umwelt, Naturschut­z und Reaktorsic­herheit – und ist somit in Berlin auch für den Umgang mit der Atomkraft zuständig. Ihre Berufung war eine Überraschu­ng, nicht einmal SPD-Insider hatten die bisherige Generalsek­retärin der NRW-SPD auf ihrem Zettel. Doch Schulze erfüllt gleich mehrere Kriterien. Erstens ist sie eine Frau, zweitens mit 49 Jahren vergleichs­weise jung und drittens gehört sie dem größten SPD-Landesverb­and an, der nach dem Ausscheide­n von Barbara Hendricks und dem Verzicht von Ex-Parteichef Martin Schulz dringend in der Ministerri­ege berücksich­tigt werden musste. Als Mitglied in der IG Bergbau, Chemie, Energie dürfte sie zudem auch die Interessen der beiden großen nordrhein-westfälisc­hen Stromkonze­rne mit ihren Stein- und Braunkohle­kraftwerke­n im Blick haben. Nicht zuletzt gilt Schulze in der SPD als überaus gut vernetzt. Sie war AStA-Vorsitzend­e an der Ruhr-Universitä­t Bochum, wo sie Germanisti­k und Politikwis­senschafte­n studierte, von 1993 bis 1997 stand sie an der Spitze der Jusos in Nordrhein-Westfalen. Seit dieser Zeit kennt sie die designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles, die damals Bundesvors­itzende des SPD-Nachwuchse­s war.

Völlig fremd ist ihr die Berliner Bühne nicht. Bei den Koalitions­verhandlun­gen gehörte sie der Arbeitsgru­ppe Bildung und Forschung an und erreichte unter anderem, dass die Hochschule­n mehr Geld erhalten. Als Generalsek­retärin der NRW-SPD forderte sie vor kurzem, die SPD „muss sich auf allen Ebenen neu erfinden: inhaltlich, organisato­risch, personell“. Da dachte sie nicht daran, dass sie selber als Teil dieser Erneuerung ins Kabinett einzieht. Trotz der Sache mit den Atomkügelc­hen.

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