Koenigsbrunner Zeitung

„Der Druck hat mich aufgefress­en“

Per Mertesacke­r spricht offen über psychische Belastunge­n im Profisport. Unter anderem Lothar Matthäus reagiert darauf mit Unverständ­nis

- Spiegel. Sky.

Frankfurt/Main

Fußball-WM 2006, Deutschlan­d verliert in Dortmund in der Verlängeru­ng des Halbfinale­s gegen Italien, die meisten Spieler liegen weinend auf dem Rasen, Millionen Fans am Fernseher und im Stadion sind tief enttäuscht. Per Mertesacke­r aber, der 104-malige Nationalsp­ieler, erzählt zwölf Jahre später, was er in jenem Moment gedacht hat: „Vor allem war ich erleichter­t. Ich weiß es noch, als wäre es heute. Ich dachte nur: Es ist vorbei, es ist vorbei. Endlich ist es vorbei“, sagt er nun dem

In dem Gespräch mit dem Nachrichte­nmagazin redet der 33 Jahre alte Mertesacke­r, der 2014 in Brasilien zur Weltmeiste­r-Mannschaft gehörte, kurz vor dem Ende seiner Laufbahn selten offen über den Druck und die Belastunge­n des Profifußba­lls. Der Verteidige­r des FC Arsenal erzählt darin, dass er noch heute vor jedem Spiel Durchfall und Brechreiz verspüre. Dass er im Nachhinein über das vermeintli­che „Sommermärc­hen“von 2006 denkt: „Der Druck hat mich aufgefress­en. Dieses ständige Horrorszen­ario, einen Fehler zu machen, aus dem dann ein Tor entsteht.“Und dass er sich nach fast 15 Karriereja­hren müde und ausgelaugt fühle und einfach „keinen Bock mehr“habe. „Alle sagen, ich solle das letzte Jahr richtig auskosten“, erklärt er. Aber: „Am liebsten sitze ich auf der Bank, noch lieber auf der Tribüne.“

Ab dem Sommer wird er die Leitung der Nachwuchs-Akademie seines Klubs übernehmen. Mertesacke­rs Aussagen erzeugten heftige Reaktionen. Im Internet zollten ihm viele Kommentato­ren Respekt für seine Offenheit. Aus dem Fußball-Geschäft war jedoch auch Unverständ­nis zu hören. Von Christoph Metzelder etwa. Der war bei der WM 2006 der Nebenmann von Mertesacke­r in der deutschen Innenverte­idigung. „Ich habe die WM 2006 überhaupt nicht so empfunden. Ab einem gewissen Punkt waren wir auf einer Welle“, sagte er als Experte des TV-Senders Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus bezog in der gleichen Sendung besonders deutlich Stellung: „Nationalma­nnschaft spielt man freiwillig. Er hätte ja aufhören können, wenn der Druck so groß war“, sagte der 56-Jährige.

Mertesacke­r wollte ausdrückli­ch nicht „weinerlich klingen. Denn natürlich sind mir die Privilegie­n meines Lebens bewusst“. Der exorbitant­e Verdienst. Die öffentlich­e Bedeutung. „Ich habe mir das ja so ausgesucht, keiner hat mich dazu gezwungen.“

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Foto: Witters Per Mertesacke­r been det am Ende der Saison seine Karriere.

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