Ein Schriftsteller mit Vorliebe für Rätsel
AZ Literaturabend Georg Klein stellt in der Stadtbücherei seinen neuen Roman vor, der durch einen mysteriösen Büro-Dschungel führt. Ein unterhaltsamer Abend nicht nur deshalb
Georg Klein mag es rätselhaft. Der in Augsburg aufgewachsene Schriftsteller lässt seine Leser im Ungefähren, gibt wenige Erklärungen in seinen Texten. Seine Bücher zeichnen sich nicht durch spannungsreiche Inhalte, sondern durch ihre eigenwillige, kunstvolle Sprache aus. In seinem neuesten Roman „Miakro“wachsen in einem Büro Tische aus dem Boden, Arbeiter kriechen in ihre Schlafkojen, Mahlzeiten werden aus den Wänden abgesondert.
Wo, warum und wann sich diese Geschichte abspielt, das möchte Klein auch beim gut besuchten Literaturabend der Augsburger Allgemeinen in der Neuen Stadtbücherei nicht genau verraten. Klar ist, dass nichts klar ist. So versucht AZ-Redakteur Wolfgang Schütz, dem Autor seine Absichten hinter dem Roman zu entlocken: Ja, er wisse, was er schreibe, bestätigt Klein schmunzelnd. Er wisse aber auch, dass seine Texte „richtig nerven können“. Umso erstaunter war er, dass er mit „Miakro“zum zweiten Mal für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist. 2010 gewann er mit „Roman unserer Kindheit“.
Beim Literaturabend, der vom Leiter der Kultur- und Journal-Redaktion der Augsburger Allgemeinen,
Michael Schreiner, moderiert wird, liest Klein zwei ausgewählte Kapitel prägnant und in unüberhörbarer Augsburger Dialektfärbung vor, lässt der Sprache Raum, sich zu entfalten. Im Foyer ist die Konzentration der über 200 Zuhörer greifbar. Die Sprache entfaltet bei Klein einen regelrechten Sog. Grandios, wie er über mehrere Absätze hinweg beschreibt, was die rote Soße im „Nährflur“, einer Art Kantine, bei seinen Protagonisten auslösen kann: einen spitz-pochenden Schmerz in den Schläfen und ein bekanntes Schwindelgefühl.
Der 64-jährige Klein, der seit Jahren in Ostfriesland lebt und zwei Söhne hat, nimmt sich als Schriftsteller alle Freiheiten heraus. Der Erfolg stellte sich bei ihm erst mit Mitte 40 ein, doch seitdem geht es steil bergauf. Klein weiß, dass er von seinen Lesern viel einfordert, ist sich bewusst, dass er mit „Miakro“das Rätselraten auf die Spitze treibt. „Mein Ideal ist ein Roman, den der Leser nicht im Leseakt vernichtet.“Klein möchte, dass seine Leser das Buch noch einmal öffnen und darüber nachdenken. Er muss an diesem Abend noch viele Bücher signieren. Nach 23 Uhr steht Klein immer noch im Gespräch mit Besuchern und AZ-Redakteuren im Foyer.
Es ist – nachdem der alte Veranstaltungsort im Großen Haus des Theaters nicht mehr zur Verfügung steht – bereits der dritte Literaturabend der AZ in der Stadtbücherei. Vor Klein waren Wilhelm Genazino und Sten Nadolny zu Gast. Nach der Lesung folgt auch am Samstag der zweite Teil des Literaturabends. Reden über neue Bücher: Erst stellt AZ-Redakteurin Birgit Müller-Bar- dorff aktuelle Kinder- und Jugendbücher für jedes Alter vor, dann wird im literarischen Salon wird heftig und unterhaltsam über drei Neuerscheinungen diskutiert: Bibliothekar und Buchblogger Marius Müller, Buchhändler Kurt Idrizovic und die AZ-Redakteure Stefanie Wirsching und Michael Schreiner sprechen über Bernhard Schlinks „Olga“, Arno Geigers „Unter der Drachenwand“und Sayaka Muratas „Die Ladenhüterin“. Herrscht bei Schlinks „Olga“noch Einigkeit in der Kritik („Unsere Erwartungen wurden nicht erfüllt“), wird beim Roman der Japanerin Murata heftiger über verschiedene Lesarten diskutiert. („Das ist eine sensationelle Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Supermarkt“vs. „In dieser Geschichte geht es um Entfremdung“). Einmütig Begeisterung löst Arno Geigers „Unter der Drachenwand“aus. Die Besucher gehen nach drei Stunden mit vielen Leseempfehlungen nach Hause. Genügend Lesestoff für den Frühling.