Die Singold: Zankapfel und Wohltäterin
Hochstift und Domkapitel kommen sich in Augsburg-Göggingen recht unschön in die Haare und der Herr Fabrikdirektor schießt bei seiner Kritik ein wenig über das Ziel heraus
Augsburg Göggingen
Heute ist die im Ostallgäuort Waal entspringende Singold ein braves Wiesengewässer. Doch dies war nicht immer so. Plätschert sie jetzt mit bescheidenen 2,4 Kubikmetern/Sekunde so dahin, dürfte früher bestimmt drei- bis viermal so viel Allgäuwasser bei uns im Raum Augsburg angekommen sein.
Und so manchmal hatte deshalb Göggingen unter Überschwemmungen zu leiden. So gibt es aus dem Jahre 1688 Schlimmes zu berichten: Wertach und Singold machten hochwassermäßig gemeinsame Sache und strömten als garstige Allgäuer Schwestern vereint durch Göggingen.
Der nächste Ärger stand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ins Haus. Recht unschön zankten sich das Hohe Domkapitel mit dem bischöflichen Hochstift um die Rechte am „Senkelgewässer“. Die Gefechtslage war klar: Die Radauer – bei denen das Domkapitel das Sagen hatte – wollten partout nicht, dass an der Singold sich eine Cottondruckerei und eine Pudermühle ansiedeln darf, was wiederum vom Hochstift gerne gesehen wurde. Doch der „Fortschritt“siegt und so konnten beide „Fabrique-Etablissements“entstehen. Im Übrigen war es ein Streit um des Kaisers Bart.
Denn Göggingen und die Radau wurden 1802 durch einen Federstrich Napoleons kurbairisch und weder das Hochstift noch das Dom- kapitel hatten dann noch was zu sagen.
Ziemlich viel Ärger gab es aber, als die Industrialisierung in der Region so richtig in die Gänge kam. Die 1863 sich ansiedelnde Nähfadenfabrik war auf die nasse Singoldenergie dringend angewiesen und wollte eine Korrektion des Bachbettes angehen. Dies ging den Gögginger
Regierung von Schwaben genehmigt die Fabrik
Bauern ziemlich über die Hutschnur. Die Herren Agrarier befürchteten eine Veränderung der Grundwasserverhältnisse zulasten ihrer Wiesen.
Und die Gögginger Geistlichkeit zog auch nicht recht mit: Für sie stand die Sorge um die entstehende Fabrikarbeiterschaft im Vordergrund. Wilhelm Butz – einer der Gründungsväter der Fabrik – sprach deshalb von einer „geblendeten und verhetzten Gemeinde“.
Ein wenig über das Ziel hinausgeschossen ist er da aber schon, der Herr Direktor. Doch die Regierung von Schwaben und Neuburg im Augsburger Fronhof blieb hart und genehmigte die Fabrik sowie die Vereinnahmung der Singold zur Energiegewinnung.
Und so half der Allgäubach neben dem ab 1884 zusätzlich errichteten Wertachkanal kräftig mit, dass sich die Nähfadenfabrik zum kontinentaleuropäischen Marktführer entwickeln konnte.