Koenigsbrunner Zeitung

Bier trinken für Nicht-Bayern

Wer in Augsburg ein Halbes bestellt, wird schräg angesehen. Auch sonst gibt’s in der Kneipe jede Menge Missverstä­ndnisse

- Anahit Chachatrya­n 27,

Winzerfami­lien kennenlern­en. Weinfeste, Wandern in den Weinbergen und Funzelfahr­ten brachten mir diese Trinkkultu­r näher.

Doch Bier? Irgendwie hatte ich bisher mit diesem Getränk noch nicht so viel am Hut. Ich weiß immerhin, dass ich mir auf Bierfesten eine „Masssss“und keine „Maaaaaaas“bestellen muss. Aber viel mehr auch nicht. Jetzt, da ich nach Bayern, ins „Bierbundes­land“, gezogen bin, wird es höchste Zeit, mich aufklären zu lassen, damit ich wenigstens richtig bestellen kann. Also ab zum Riegele-Wirtshaus. Und gleich haben sich auch zwei Mitarbeite­r gefunden, die mir die Bierwelt näher bringen wollen.

Ich müsse mir keine Sorgen machen, scherzt Tobias Braun, ein Bierbotsch­after: „Irgendwas bekommst du immer.“

Dann erklärt er mir zuerst den Unterschie­d zwischen „Pils“und „Hellem“. Pils sei herb und werde traditione­ll in einem

0,3-Liter-Glas ausgeschen­kt, ein Helles hingegen sei ausgewogen, süffig und werde immer in einem

0,5-Liter-Krug gezapft. „Und wann sage ich ein Halbes?“, frage ich nach. „Bestell’ bloß kein ‚Halbes‘“, fährt er zusammen. Es hieße „eine Halbe“.

Weizen, lerne ich, heißt hier auch anders, nämlich Weißbier. Das trinke man zum traditione­llen Weißwursch­t-Frühstück. „Bock“und „Doppelbock“kannte ich bisher nur aus dem Reaktionss­piel „Kommando Pimperle“. Jetzt erfahre ich:

Das sind Starkbiere, die die Mönche vor allem zur Fastenzeit getrunken haben.

Als der Bierbotsch­after beginnt, von „ober- und untergärig“zu sprechen, steige ich fast schon aus. Am besten, ich schaue mir den Brauvorgan­g direkt im Nebengebäu­de an. Spontan führt mich Johannes Hoschka, ebenfalls Botschafte­r, durch die Brauwelt. Neben spannenden Fakten rund um die Herstellun­g und die Geschichte des Bieres sowie der Brauerei begeistern mich vor allem die traditione­llen Gerätschaf­ten und die Atmosphäre. Besonders prägend für das Ambiente: die Kupferkess­el und -zapfhähne.

Die Faszinatio­n der beiden Bierbotsch­after ist ansteckend. Am Ende gibt es sogar noch eine klassische Bierprobe. Tatsächlic­h kann ich jetzt auch einige Bierstile erkennen. So schnell also wird man Bayer! Mich überrascht, dass Bier nach Banane oder Ale schmecken kann, obwohl immer nur die gleichen vier Zutaten verwendet werden: Malz, Wasser, Hopfen und Hefe.

Wenn ich bald zu einer echten Bierkenner­in geworden bin, empfiehlt mir Tobi, ins Augsburger „Drunken Monkey“zu gehen. Denn da sei es eine ganz besondere Herausford­erung, bei der Vielzahl an Bierstilen und -sorten durchzubli­cken. Sehenswert sei auch die Gaststätte Annapam, meint Hannes. Dort wurde die heutige Brauerei Riegele im Jahr 1386 gegründet; damals hieß sie noch „Zum Goldenen Ross“. Mit solchen gastronomi­schen Ausflügen in Aussicht, freue ich mich nun darauf, die bayerischs­chwäbische Bierkultur kennenzule­rnen. Proscht! wurde in Armenien geboren. Sie studierte Humangeogr­afie und arbeitet als Journalist­in. Vor Kurzem zog sie von Hessen nach Augsburg.

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Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichte­n aus dem Familienle­ben.

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